Im Gespräch mit Scenario Max Giesinger im Interview: Zwischen Shrimps und Seelenstrip

Berühmt wurde Max Giesinger 2016 mit seinem Song "80 Millionen"; mit "Vier" hat er nun sein viertes Studioalbum released. © Christoph Köstlin
Lesezeit

Seine Singles „80 Millionen“ und „Wenn sie tanzt“ haben sich über eine Million Mal verkauft: Max Giesinger. Jetzt hat der Sänger aus dem Schwarzwald ein neues Album am Start. Auf „Vier“ unternimmt er einen Trip in die Untiefen der eigenen Seele. Wir sprachen mit dem 33-jährigen Giesinger über Sehnsüchte, Selbstzweifel und Songwriting in der Pandemie.

Max, machst Du Musik passend zu Deiner jeweiligen Stimmungslage, oder machst Du Musik, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen?

Definitiv ersteres, sonst würde es sich unauthentisch anfühlen. Letztes Jahr (2020, Anm. d. Red.) hatte ich sehr viel Zeit zum Schreiben. Es fühlte sich überhaupt nicht nach Arbeit an, und ich war sehr im Reinen mit mir. Diese Themen wollten schon lange aufgeschrieben werden.

Ein grundlegendes Thema bei mir ist dieses Getriebene: Ich muss noch mehr erleben, das reicht noch nicht. In Momenten, wo ich eigentlich alles habe, werde ich aus dem Hier-und-Jetzt-Zustand rausgerissen. Ich arbeite gerade daran, dass ich das Erreichte mehr schätzen kann.

„Ich bin ständig außer Atem, ich komm nicht hinterher“ und „alles immer schneller, alles muss perfekt, höher und weiter“ als der Rest sein, heißt es in „Das Wunder sind wir“. Hast Du deshalb Deine Art zu leben in letzter Zeit geändert?

Ich habe mit 33 Jahren mittlerweile verstanden, was mir gut tut und was mich eher von mir weg treibt. Positive Dinge versuche ich jeden Tag mit einfließen zu lassen. Ich merke aber, wo jetzt alles wieder normaler hergeht und diese verrückte Musikwelt mich wieder mehr reinzuziehen droht, dass ich schnell in alte Routinen verfalle.

Mir hat es geholfen, morgens nicht gleich aufs Handy zu gucken und erst einmal Sport oder Yoga zu machen. Aber wenn eine Albumphase ansteht, kann ich nicht bis 11 Uhr im Flugmodus sein. Man darf sich nicht selbst dafür verurteilen, wenn man da manchmal nicht hinterher kommt.

Du singst auf Deinem Album davon, irgendwann Dein Handy wegzuwerfen, aufs Land zu ziehen und Deine Eltern öfter zu sehen. Ein Wunschtraum?

Das ist eher eine Metapher. Ich kann mir ja nicht in einem Wald ein Baumhaus bauen und ohne Steuern zu zahlen in meiner eigenen Agrikultur leben. Dafür bin ich zu sehr in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden. Aber irgendwann einen Abstand zu bekommen und ein Häuschen am See zu haben, ist für mich schon vorstellbar. Ich werde trotzdem eine Wohnung in der Stadt behalten, weil die Stadt in Maßen auch ihre richtig guten Seiten hat. Witzige Partyabende zu haben und mit seiner Gang abzuhängen, ist ja auch etwas Schönes.

In der Ballade „Berge“ besingst Du Deine Sehnsucht nach der Natur. Hast Du die Erfahrung gemacht, dass der Aufenthalt in der Natur die Lebensqualität und Kreativität erhöht?

Das würde ich beides bestätigen. Zu viel Stadtleben ist für unsere Psyche nicht gemacht. Viel zu viel Stress und viel zu viele Menschen. Ein Urlaub in den Bergen oder an der See bringt mich extrem runter, macht viel Gutes mit meiner Kreativität und gibt mir eine brutale Energie. Wenn man danach gehen würde, was einen glücklich macht, müsste ich in zwei Wochen schon wieder ins Allgäu ziehen. Aber nach fünf Tagen würde ich meine Buddies vermissen. Deswegen könnte ich solche Experimente nur mit einer Partnerin oder meiner Musik-Gang machen.

Du hast in der Pandemie kurzerhand das Kochen erlernt. Was kam bei Dir auf den Tisch während des langen Lockdowns?

Ich könnte jetzt eine ganz leckere Shrimp-Pasta mit Spinat machen. Ich kriege auch eine ganz gute Pilz-Pasta hin. Einmal sogar so gut, dass ich fast Tränen in den Augen hatte. Das ist mir nie wieder gelungen. Und Ofengemüse. Aber das kriegt ja jeder Depp hin.

War es sehr kräftezehrend, sich während der Pandemie neue Songs und Themen auszudenken?

Die Songwriting-Tage waren für mich eher wie Urlaub. Es waren richtige Männer-Trips. Wir saßen da in der Eifel in einem Airbnb-Haus. Morgens fütterte ich immer eine Ziegen- und Schafherde. Da Songs zu schreiben, war super geil. Das ist krass beflügelnd, so dass ich drei Wochen lang auf einem Hoch war.

In dem melancholischen autobiografischen Lied „Deine Zweifel“ beschreibst Du, wie Du in Deiner Kindheit geprägt worden bist. Wie war Deine Kindheit?

Die Jahre bevor meine Eltern sich getrennt hatten, waren eigentlich schön. Als Kind kapierst du das nicht ja nicht so richtig, was da passiert. Aber es macht unbewusst etwas mit einem, so dass man ein Misstrauen in Beziehungen bei sich abspeichert.

Das habe ich erst später gecheckt. Bei meinen Eltern war es gut, dass sie sich trennten, weil man ja auch keine unglücklichen Eltern haben will. Bei mir hat es dazu geführt, dass ich vorsichtig wurde und mich nicht von der einen in die nächste Beziehung gestürzt habe.

Hast Du als Kind schon von einer Musikerkarriere geträumt?

Es war auf jeden Fall ein realistischer Traum. Ich habe damals schon Konzerte gespielt und wurde von meinem Gitarrenlehrer gepuscht. Einmal im Jahr habe ich auf einem großen Konzert gesungen, wozu alle Omas und Opas eingeladen waren. Ich habe gemerkt, irgendwas macht das mit mir. Der Ego-Boost war enorm. Das wollte ich immer wieder haben. Man muss schon ein bisschen irre sein, dass man Bock hat, sich vor 10.000 Leuten auf eine Bühne zu stellen und den Hampelmann zu spielen. Aber für mich gab es kein anderes Ziel.

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen