
Momentan läuft auf dieser Welt so viel verkehrt, dass ich gefühlt von einer Demo zur nächsten stolpere, mir Kundgebungen anhöre und Flugblätter in die Hand gedrückt bekomme. Wenn ich dann nach Hause gehe und mir die Nachrichten anschaue, stellt sich nicht das Gefühl ein, etwas bewegt zu haben.
Neben dem, wogegen man demonstriert, drängen sich noch weitere Themen, die ihre Aufmerksamkeit verlangen und man wird einfach nur noch müde. Irgendwann stellt sich die unangenehme Frage, was das ganze Demonstrieren eigentlich noch soll. Wer noch zuhört und was, und vor allem wem das überhaupt noch etwas bringen soll.
Demos sind im Kern gute Ideen
Ich bin eigentlich der festen Überzeugung, dass Demonstrationen und Kundgebungen ein gutes demokratisches Mittel sind, um den Willen des Volkes medienwirksam zu transportieren. Je mehr Menschen für eine Sache auf die Straße gehen, desto mehr scheint die Kacke am Dampfen zu sein und Änderungsbedarf zu bestehen.
Aber was ist, wenn man gegen Dinge demonstriert, die sich kaum in den Griff kriegen lassen? Was ist, wenn der Demozug mit 600-700 Menschen still und leise durch die Stadt zieht, weil jede gebrüllte Forderung abseits der umsetzbaren Realität liegt oder diejenigen, die was ändern können, gar nicht zuhören?
Um einen herum sieht man Hoffnungslosigkeit, Unverständnis, Angst und Wut – und jene, die nur Mitlaufen, weil sie überall mitlaufen und sonst nichts Besseres zu tun haben.
Menschen mit den gleichen Wünschen und Zielen
Im Angesicht der Lage will ich die Hoffnungslosigkeit aber nicht um sich greifen lassen. Das Demonstrieren bewirkt momentan vielleicht keine konkreten Änderungen der Situation, aber es gibt uns etwas, an das wir uns festhalten können.
Trotz aller Bedrohung ist es schön zu sehen, dass so viele Menschen in die gleiche Richtung steuern. Dass man angesichts eines Krieges Differenzen beiseite legen kann und näher zusammenrückt. Hat man sich beispielsweise vor zwei Wochen noch gegenseitig auf Querdenker-Spaziergängen angebrüllt, demonstriert man nun gemeinsam durch die Stadt im Sinne des Friedens.
Friedliches Miteinander in Europa
Denn im Grunde wollen wir alle das Gleiche: Wir wollen ein friedliches Miteinander auf dieser Welt, nicht nur in Europa. Wir wollen, dass im Angesicht dieser Bedrohung geflüchtete Menschen nicht auch noch mit Rassismus und komplizierter Bürokratie konfrontiert werden.
Wir wünschen uns mehr Menschlichkeit, dass Familien nicht auseinandergerissen werden und am Ende mit nichts mehr dastehen, als dem blanken Entsetzen. Wir wollen alle mehr oder weniger das Gleiche. Und wer sich momentan alleine fühlt mit den Nachrichten des Tages und überfordert und ängstlich, der sollte zu den Demos und Kundgebungen gehen.
Denn dort sieht man, dass man nicht alleine ist. Man spürt die Solidarität, den Trost und den guten Willen, auch wenn man faktisch wohl kaum etwas bewegt.