Deutschlands bester Torjäger aus Herne hat neuen Klub Auszeichnung vom Kicker-Magazin

Talha Aydin (l.) hat einen deutschlandweiten Torrekord geknackt.
Talha Aydin (l.) hat einen deutschlandweiten Torrekord geknackt. © VOLKER ENGEL
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Es gibt Geschichten, die so unwahrscheinlich beginnen, dass man an eine Pointe glaubt, lange bevor sie erzählt ist. Talha Aydin spielt Fußball. Und wenn man sagt, er „spielt“, dann meint man das nicht im Sinne von „aktiv am Vereinsleben teilnehmen“. Sondern im Sinne von: Er trifft. Er trifft das Tor. Immer. Und immer wieder. 107 Mal in einer Saison. Das ist nicht übertrieben, das ist nachgezählt. Und das ist deutscher Rekord.

Wechsel nach Gelsenkirchen

Die Geschichte beginnt dort, wo man normalerweise keine Rekorde vermutet: in der Kreisliga C. Elfte Liga. Einer jener Orte des Fußballs, an denen mehr Hunde als Zuschauer am Spielfeldrand sind und man das Bier noch selbst mitbringt. Aydin spielte dort für die dritte Mannschaft des DSC Wanne-Eickel. In der gleichen Liga, in der die SG Castrop letztendlich den Aufstieg feiern konnte. Eine Dritte, das klingt immer ein bisschen wie: Wer es sonst nirgends schafft, landet dort. Nicht Aydin. Für ihn war es ein Anfang.

Jetzt wechselt er. Von ganz unten ein paar Stufen höher – zur SSV Buer in die Westfalenliga. Die sechsthöchste Spielklasse. Ein großer Schritt. Vielleicht ein bisschen zu groß? „Ich weiß, dass der Unterschied riesig ist“, sagte er gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Und dann sagte er noch etwas gegenüber der WAZ, das man von einem Fußballspieler aus der Kreisliga nicht so oft hört: „Ich habe jetzt schon sechs Kilo abgenommen.“ Das ist entweder Hingabe oder Wahnsinn – oder beides.

Talha Aydin (3 v. r.) hatte am Ende der Saison 2025/26 eine dreistellige Torausbeute.
Talha Aydin (3 v. r.) hatte am Ende der Saison 2025/26 eine dreistellige Torausbeute.© Imago

In Buer freut man sich auf ihn. Der Trainer, Oktay Güney, sagt gegenüber der WAZ: „Talha ist ein Stürmer mit Perspektive.“ Und meint das nicht als nett gemeinte Floskel, sondern als Einladung, es wirklich zu versuchen. Aydin will diese Einladung annehmen. Und wenn man ihn reden hört, dann klingt das nicht wie ein Sprungbrett-Moment, sondern wie eine Ankunft: „Ich will nicht mehr, dass Tore wichtig sind. Nur noch Siege.“ Ein Satz wie aus dem Profifußballseminar. Und dennoch wirkt er bei ihm nicht aufgesetzt.

Dabei hatte alles auch anders kommen können. Wäre der SC Emscher Crange II nicht vom Spielbetrieb zurückgezogen worden, hätte Aydin 120 Tore auf dem Konto. 13 wurden ihm gestrichen. 13! Man stelle sich das vor: Man trifft, jubelt, schwitzt – und dann heißt es Wochen später: Zählt nicht. „Das war ein großer Rückschlag für mich“, sagt er gegenüber der WAZ. Es klingt leise. Nach echtem Ärger. Nicht, weil es um Statistik geht. Sondern, weil es um Gerechtigkeit geht. Vielleicht ist das sein verborgenes Thema.

Kicker verleiht Auszeichnung

Am letzten Spieltag dann noch einmal Pech. Gegner Pöppinghausen II tritt nicht an. Aydin hätte wieder treffen können. Vielleicht sogar den Rekord von Janik Brosch brechen können, der mal 119 Tore für Eintracht Lemgo gemacht hat. Aber was heißt schon Rekord, wenn der Gegner nicht auftaucht?

Doch dann kam der Kicker. Die Torjägerkanone für alle – eine gemeinsame Aktion mit dem DFB und Volkswagen. Von der Regionalliga bis zur Kreisliga C wird der beste Torjäger geehrt. Und Talha Aydin? Der steht jetzt in einer Liste mit Harry Kane. Mit Sarah Schatton. Und Samed Yesil, dem einstigen Liverpool-Profi. Ja, richtig gelesen. Der Mann aus der Kreisliga C steht über ihnen allen.

„Es geht darum, Leistungen in jeder Liga zu würdigen“, sagt Bernd Salamon, Mitglied der Kicker-Redaktionsleitung. „Jeder Torschützenkönig hat eine Kanone verdient.“ Aydin hat sie bekommen. Verdient. Mit zwölf Toren Vorsprung auf Yesil. Das ist wie, mit einem Trabi den Grand Prix zu gewinnen.

Und jetzt also Buer. Ein Verein, der aufgestiegen ist, und ein Spieler, der mitzieht. Weil er will. Weil er vielleicht sogar muss. Denn was soll einer wie Aydin tun, wenn er nicht mehr trifft? „Die Leute werden einen ganz anderen Talha kennenlernen“, sagt er. Als wäre er eine Figur in einem Film, der jetzt in die nächste Staffel geht. Talha 2.0 – weniger Gewicht, mehr Spielintelligenz. Keine Tore mehr um der Tore willen, sondern für den Sieg. Der Weg ist noch lang. Aber er hat ihn begonnen.

Und ganz nebenbei ist er zum Gesicht des Amateurfußballs geworden. Für all die, die unter der Woche arbeiten und am Wochenende mit Leidenschaft spielen. Für die, die keine Schlagzeilen machen – und dann doch plötzlich in den Kicker geraten. Talha Aydin, der Mann mit dem unstillbaren Torhunger, hat eine Kanone gewonnen. Aber mehr noch: Er hat sich selbst bewiesen. Und vielleicht – ganz vielleicht – ist das am Ende mehr wert als jedes Tor.

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