
Aus den Lautsprechern in der Düsseldorfer Arena schallt „Sweet Caroline“. Bukayo Saka tanzt über das Feld, Jordan Pickford ballt die Faust. Auf der Tribüne hüpft ein glücklicher Prinz William herum. Was für ein „süßer“ Samstag für ganz England. Die Three Lions besiegen gegen die Schweiz ihren Elfmeter-Flucht (5:3) und ziehen auf die dramatischste aller Arten ins EM-Halbfinale ein.
Lange trostlos
Von den gigantischen Jubelstürmen im Buckingham Palace nach dem wahnsinnigen Last-Minute-Fallrückzieher von Jude Bellingham gegen die Slowakei ist dank der dicken Palastmauern nichts nach außen gedrungen. Doch das Zaubertor und der Achtelfinale-Sieg nach Verlängerung hatte offenbar auch bei der „Royal Family“ das EM-Fieber wieder entfacht. Das war bei Prinz William nach seinem Besuch in der Vorrunde gegen Dänemark und dem extrem biederen Auftritt der Three Lions (wie bei der ganzen Nation) wohl kurzzeitig etwas verlorengegangen.
Ob er deswegen bei keiner weiteren Partie gesichtet wurde oder royale Termine es verhinderten, ist nicht bekannt. Gegen die Schweiz war er jedenfalls wieder mittendrin. In der Düsseldorfer Arena nahm er neben UEFA-Präsident Aleksander Ceferin Platz, eine Reihe vor ihm saß Portugal-Legende Luis Figo.
Zumindest 15 Minuten konnten der „Prince of Wales“ und die restlichen Zuschauer den Eindruck gewinnen, dass sich diese hochdekorierten Engländer von ihren wie auch immer begründeten Lasten entledigt hätten und nun endlich die zweifelsohne in ihnen schlummernden Qualitäten zum Vorschein kommen würden. Doch nach einer Viertelstunde musste auch William akzeptieren: es war der gleiche Rumpelfußball wie immer bei diesem Turnier. Darüber konnten auch Einzelaktionen von Bukayo Saka (28. & 45.) oder Kobbie Mainoo (16.) nicht hinwegtäuschen. Beispiel für die Einfallslosigkeit gefällig: Nach eigener Ecke landete der Ball innerhalb von nur fünf Sekunden bei Jordan Pickford. Harm- und ideenloser geht es kaum.

Womit wir bei den Schweizern wären. Also den Schweizern, die der DFB-Elf das Leben so schwer gemacht hatten. Die Schweizer, die zugegebenermaßen schwache Italiener komplett dominiert und sich fast schon zu so etwas wie einem geheimen Geheim-Favoriten gemausert hatten. Doch von dem großen Offensivdrang hatten sie offenbar nicht viel mit rüber retten können in dieses EM-Viertelfinale. Nur ganz situativ näherten sie sich dem englischen Tor. Dan Ndoye verpasste eine Hereingabe von Augsburgs Ruben Vargas in aussichtsreicher Position haarscharf (9.), Breel Embolo schloss nach einem Zweikampf mit Ezri Konsa zu zentral ab (51.). Dass das gleichzeitig der erste „Schuss“ aufs Tor in diesem gesamten Spiel war, sagt wohl alles über die Qualität dieser Partie.
Doch gerade als Prinz William auf seinem dick gepolsterten Ledersessel in der Loge auf Höhe der Mittellinie drohte einzuschlafen, passierte doch noch das, wo niemand in Düsseldorf mit gerechnet hatte: es fielen noch Tore in diesem Spiel! Breel Embolo grätschte eine von John Stones abgefälschte Flanke zur umjubelten Schweizer Führung über die Linie (75.). Die „Nati“ der EM-Sensation so nahe, England unter Schock. Aber nur kurz. Gareth Southgate reagierte und wechselte dreifach. Das neue Trio stand gerade mal eine Minute auf dem Platz, als Saka von der rechten Strafraumkante nach innen zog und den Ball ins lange Ecke knallte (80.).
Shaqiri fast mit dem Traumtor
Also doch Verlängerung – wie in allen Viertelfinals bislang. In der lenkte Yann Sommer einen strammen Schuss von Declan Rice um den Pfosten (95.). Der eingewechselte Xherdan Shaqiri versuchte es noch mit einem ganz frechen Trick: Der für Traumtore bekannte Ex-Bayern-Profi drehte einen Eckball direkt an die Latte (117.). Riesiges Glück für die Engländer. Da musste auch Prinz William einmal kräftig durchatmen. Dann ging‘s ins Elfmeterschießen.
Bekanntlich nicht die Paradedisziplin der Three Lions. Aus sieben von zehn Duellen vom Punkt sind sie als Verlierer herausgegangen. Auch beim letzten Elfer-Krimi – EM-Finale gegen Italien 2022 in London – versagten ihnen die Nerven. Diesmal nicht. Alle englischen Schützen trafen, Pickford hielt gegen Manuel Akanji. Die Spieler feierten auf dem Feld, Prinz William auf der Ehrentribüne und ganz England zuhause.