
Das Foto kommt schon ein wenig einem vereinshistorischen Dokument gleich. Es ist 2013, Lennard Kaprolat ist da zehn Jahre alt und als kleiner Junge mit dem Wischmop in der Vestischen Arena immer dann unterwegs, wenn es darum geht, für trockene Bodenverhältnisse zu sorgen. Lange ist das her. Heute ist „Lenny“, wie ihn alle nennen, 22 Jahre alt, Citybasket Recklinghausen ist immer noch sein sportlicher Mittelpunkt. Aber der Kapitän durchlebt mit seinem Team harte Zeiten wie nie zuvor.
Mit 22 Jahren schon ein „Urgestein“
Feierabend, Aus, Schluss und vorbei. Das war es also mit dem Kapitel 1. Regionalliga. Die 78:115-Niederlage beim TuS 59 HammStars war letztlich nur noch ein ganz bitter schmeckendes Häubchen ohne jegliche Sahne. „Abgestiegen sind wir aber ganz sicher nicht wegen dieser Partie“, sagt der Kapitän. Es ist also Zeit zur Analyse mit einem Mann, der gerade einmal erst 22 Jahre alt ist, gleichwohl längst als „Urgestein“ bezeichnet werden darf.
Als am 20. September die Saison beginnt, betritt Lenny Kaprolat die Arena – sicherlich nicht mit dem Gedanken, dass es eine ganz bittere Spielzeit wird. Der SV Haspe 70 ist an diesem Samstagabend zu Gast, es setzt eine 66:74-Niederlage, die man gewiss noch unter der Rubrik „das kann mal passieren“ verbuchen kann. „Aber spätestens mit Ende der Hinserie wurde uns allen klar, dass es sehr eng werden kann“, gesteht der Kapitän ein. Ein schleichender Prozess setzt ein – mit inzwischen 21 Niederlagen in 22 Partien. Geradezu historisch.
Ein einziger Sieg in 22 Spielen
Tatsächlich: Mit nur einem einzigen Sieg (93:81 beim TSV Bayer Leverkusen II) kann man langfristig keinen Staat machen. Die Gründe für den kapitalen Absturz sind vielfältig. Die Verpflichtung der beiden US-Amerikaner – zunächst kam Antoine Dunnally, der schnell von Jalen Rosemond ersetzt wurde – war alles andere als ein großer Wurf. Doch das will Kaprolat nicht als einzigen Grund gelten lassen. „Wir sind alle in ein Tief gefallen und aus diesem Negativstrudel nicht mehr herausgekommen.“
Was nachdenklich stimme, sei die Tatsache, dass die meisten Niederlagen deutlich mit teils bis zu 20 Punkten Rückstand ausfielen. Was sich auch bedenklich auf die Stimmung in der Vestischen Arena niederschlägt. Während in der unmittelbaren Nachbarschaft in Wulfen oder Herten mit Pauken und Trompeten die Abende begleitet werden, herrscht in der Festspielstadt bisweilen eine Atmosphäre, die maximal zwischen Theateraufführung und Operette anzusiedeln ist. Die mageren Darbietungen auf dem Parkett in der „roten Hölle“ schlugen sich auch bedenklich auf die Stimmung auf der Tribüne nieder.

Freilich, das ist nicht der Grund, wenn Lennard Kaprolat sagt: „Der Verein braucht jetzt ganz schnell einen Plan.“ Das bezieht er mehr auf die sportliche Zukunft. Die 2. Regionalliga, für diese Erkenntnis muss man kein Basketball-Intimkenner sein, ist durchaus vergleichbar mit der 2. Fußball-Bundesliga: Ambitionierte Vereine, die nach oben streben, der Unterschied zu Liga 1 ist oftmals marginal. Ergo: Wenn man in Recklinghausen den Wiederaufstieg anstrebt, wird man ohne einen US-Amerikaner plus idealerweise einen EU-Import nicht auskommen. Wobei niemand ernsthaft damit rechnet, dass Didzis Malisevs oder Adi Kocan an Bord bleiben. Und Center Henning Gustrau hat sich sowieso längst in die Notizbücher anderer Klubs gespielt. Der Verbleib von Lukas Vasilu ist ebenfalls offen.
Team mit Aufstiegsperspektive muss es sein
Bleibt aber der Kapitän an Bord? Dass Citybasket für Kaprolat weiter die erste Option ist, hört man schnell heraus. Dafür ist der Wirtschaftsingenieurwesen-Student mit Wohnsitz in Essen zu sehr mit dem Klub verwachsen – wie auch seine ganze Familie. Seine Schwester Louisa beispielsweise ist seit wenigen Wochen Cheftrainerin der Regionalliga-Damen. All das mag für einen Verbleib in RE sprechen, ist aber beileibe keine Garantie-Erklärung. Kaprolat betont: „Ich sage es ganz ehrlich. Ich würde nicht gerne in der 2. Regionalliga in einer Mannschaft spielen, die sich dann auch langfristig dort sieht.“ Ein Team mit Aufstiegsperspektive solle schon aufgebaut werden.
Und vielleicht legt Sportdirektor Georg Kleine bei der Kaderplanung ja einfach mal eine Platte von Pink Floyd aus seiner Kinderzeit anno 1975 auf, schaut auf jenes historische Wischmop-Foto mit dem kleinen Lenny und nimmt einfach nur das Plattencover als Arbeitsauftrag. Der Titel passt und liest sich geradezu prophetisch: „Wish You Were Here“.