
„Diese Lokomotive wird wieder 40 Jahre fahren.“ Wenn Mehmet Sendogan das sagt, glaubt man ihm jedes Wort. Am Ende der kurzen Auerstraße in Recklinghausen sticht das dunkle Blau des Firmenlogos unaufdringlich hervor: Sendogan Bahndienste. Obwohl die Autobahn nur wenige Fahrtminuten entfernt ist, hört man weder das Rauschen der Autos noch das Scheppern der Lkw. „Wir sind gut angebunden und haben es trotzdem ruhig“, erklärt der Unternehmenschef. Man ahnt als Besucher nicht, was für ein Lebenswerk Mehmet Sendogan an diesem Ort geschaffen hat – dass hier, in dieser ruhigen Sackgassenlage, über 70 Menschen arbeiten. Sendogan Bahndienste begann 2008 als One-Man-Show. Heute? Sieht die Sache ganz anders aus.

„Die Schienen sind die Adern dieses Landes“
„Der Weg ist das Ziel“, heißt es. Für Mehmet Sendogan ist das mehr als ein Spruch. An einem sonnigen Tag erzählt der Unternehmer von seinem Werdegang. Ein langer Weg, viele Höhen und Tiefen – doch das sei „in dieser Riesenbranche“ normal, so Sendogan. „Ich bin Rangierbegleiter, Logistiker, Arbeitszugführer. Ich habe Bauunternehmen in der Gleisbauwelt unterstützt. Daraus meine Arbeit gemacht.“
Die Schienen sind seine Welt. „2008 kam die Selbstständigkeit.“ Sendogan Bahndienste bringt Leistung auf die Schiene – so das Firmenmotto. Hinter dem langen Begriff Eisenbahndienstleistungsunternehmen verbirgt sich viel. Und es wurde mehr. „Als ich das Unternehmen gründete, war ich noch ganz allein. Ab 2009 habe ich Mitarbeiter eingestellt, die an Baustellen tätig sind: Rangierbegleiter – Arbeitszugführer sagt man dazu. Wir haben Maschinen begleitet, Waggons bewegt, Transporte von A nach B durchgeführt und das Baustellenmanagement unterstützt.“
Qualität und Kompetenz – das ist die Quintessenz seines Unternehmens. Mehmet Sendogan steht voll dahinter und spricht mit großem Stolz über das, was seine Leute leisten. „Ich sehe das so: Das ist wie ein Mensch mit Adern. Adern müssen gesund sein – sonst ist es der Mensch auch nicht. Und die Schienen sind die Adern dieses Landes, von Wirtschaft und Logistik. Ohne die können wir keine starke Wirtschaft aufrechterhalten.“

„Die Loks kriegen bei uns ein zweites Leben“
Seit 2016 besitzt Sendogan eigene Lokomotiven. Das Geschäft lief gut – doch das war kein Grund für ihn, sich zurückzulehnen. „Ich bin da etwas hyperaktiv. Ein Standardjob würde mich langweilen. Ich muss dieses Unternehmen weiterentwickeln und die Zukunft meiner Mitarbeiter sichern.“
Und so kamen die Loks – nicht irgendwelche, sondern Lokomotiven mit Geschichte. Auf dem Hof steht ein verlebtes Gefährt. Patina überzieht die Karosserie, Kabel sind defekt, Metalle verbogen. Schrott? „Diese Loks stammen aus den 70er bis 90er Jahren. Alte Technik, alte Schule. Jahrzehntelang sind sie gefahren.“
„Projekte“ nennt er sie. Fahrzeuge, die Wartung, Liebe und viel Instandhaltung brauchen. „Mit der Zeit haben wir sie selbst instand gesetzt – und dann mit ihnen gearbeitet.“
Was wie Nachhaltigkeit aussieht, ist bei Sendogan gelebte Wertschätzung für Technik und Geschichte. Seit mehreren Jahren werden die Lokomotiven komplett kernsaniert: Technik repariert, Updates eingebaut – bereit für weitere Jahrzehnte. „Unsere Fahrzeuge sind so gut, dass sie deutschlandweit ein hohes Ansehen haben. Aus alt haben wir wieder neu gemacht.“
Eine frisch erneuerte Lok steht auf dem Hof. Gelb lackiert, gesandstrahlt. Kleine Unebenheiten erzählen vom Leben und Einsatz. Die Lok hat Identität – etwas, das Mehmet Sendogan bewahrt. Genau wie den respektvollen Umgang mit seinen Mitarbeitenden.

„Dieses Unternehmen ist eine große Familie“
Jörg arbeitet seit 2016 im Unternehmen. Über eine Schulkameradin kam er zum Praktikum – und blieb. „Ich habe in der Rechnungsabteilung angefangen und bin jetzt irgendwie in der Werkstatt gelandet“, lacht er. „Ich mag Herausforderungen und will mich weiterentwickeln. Hier geht das.“
Teamarbeit wird bei Sendogan großgeschrieben. Das erlebt auch Jörg täglich: „Für die Sicherheit auf den Schienen müssen wir alle eng zusammenarbeiten und einander vertrauen.“ Und das funktioniert: Im Unternehmen herrscht ein lockeres Miteinander, es wird gelacht, geneckt – auch mit dem Chef. Mehmet Sendogan ist mittendrin, nicht abgehoben im Büro. „Ich habe immer Zeit – für mein Team, die Kunden, die Menschen. Das Team ist wie eine Familie.“
Und das zeigt sich: Herkunft, Geschlecht, Alter – bei Sendogan Bahndienste zählt, was man gemeinsam schafft. „Das Menschliche war mir immer das Wichtigste. Egal wie alt, welche Hautfarbe, welche Sprache – unter diesem Dach sind wir alle gleich.“
Eine „Lok auf 2 Beinen“ steht nicht still

Mehmet Sendogan hat viel erreicht. Doch Füße stillhalten? Das kommt für ihn nicht infrage. „Ich habe allein angefangen, während Corona waren wir 140, jetzt sind wir 70 – und wir wollen wieder wachsen.“
Ein neues Grundstück soll her, mehr Platz für Menschen und Maschinen. „Damals haben mich viele für verrückt gehalten, als ich dieses große Gelände gekauft habe. Jetzt ist es zu klein.“
Sendogan steht in der Werkstatt, sein Sohn zeigt stolz ein Drohnenvideo über die Anlieferung einer Lok. Auf dem Hof summt das Leben – wie in einem Bienenstock. Kein Wunder, dass alte Loks hier neu erblühen.
„Wir suchen wieder Leute – vor allem in der Werkstatt. Viele schrecken zurück, wenn sie Lokomotive hören. Dabei ist die Technik ähnlich wie bei Lkw oder Landmaschinen. Deshalb suchen wir Lkw-Schlosser, Mechaniker, Land- und Baumaschinenmechatroniker – und für die Baustellen: Lokführer und Rangierbegleiter.“
Auf den Schienen steht es nie still. So wie sein Beruf ist auch Mehmet Sendogan. Immer auf dem Weg. Und ist ein Ziel erreicht – dann kommt das nächste.
