Krieg in der Ukraine Empörung über Gräueltaten in Butscha nimmt nicht ab – Bürgermeister bittet um Hilfe

Die 57-jährige Tanya Nedashkivs’ka trauert um ihren Mann, der in Butscha am Stadtrand von Kiew getötet wurde. Angesichts der schockierenden Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen schärfere Sanktionen gegen Russland vor.
Die 57-jährige Tanya Nedashkivs’ka trauert um ihren Mann, der in Butscha am Stadtrand von Kiew getötet wurde. Angesichts der schockierenden Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen schärfere Sanktionen gegen Russland vor. © picture alliance/dpa/AP
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will eine lückenlose Aufklärung der Verbrechen gegen Zivilisten in Butscha und anderen ukrainischen Städten.

Dazu arbeite man unter anderem mit der EU und dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen, sagte er in einer Videobotschaft. Die internationale Empörung über die Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha dauert an. Die CSU fordert angesichts der Massaker mehr Waffen für die Ukraine.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft verzeichnete nach eigenen Angaben mehr als 7000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Region um die Hauptstadt Kiew. Die meisten Opfer habe es in Borodjanka gegeben, sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Agentur Unian zufolge. „Ich denke, wir werden gesondert über Borodjanka sprechen.“ Die Generalstaatsanwaltschaft arbeite an der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Irpin, Butscha und Worsel.

Entsetzliche Bilder aus Butscha

Die Bilder aus Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen zahlreiche Leichen von Bewohnern auf den Straßen gefunden wurden, hatten am Wochenende für Entsetzen gesorgt. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die Stadt besetzt hatten. Moskau bestreitet das. So sprach Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja von einer „inszenierten Provokation“.

Russland wolle dem UN-Sicherheitsrat Beweise dafür vorlegen, dass sein Militär keine Gräueltaten gegen Zivilisten in der Ukraine begangen habe. Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha verantwortlich. „Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich – nicht nur für uns, sondern für die Welt – dass russische Kräfte für die Gräueltaten in Butscha verantwortlich sind“, sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby.

Selenskyj versicherte, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. „Die Zeit wird kommen, in der jeder Russe die ganze Wahrheit darüber erfahren wird, wer von seinen Mitbürgern (in der Ukraine) gemordet hat. Wer Befehle gegeben hat. Wer bei den Morden ein Auge zugedrückt hat“, sagte der ukrainische Präsident. Er lud Journalisten aus der ganzen Welt ein, sich die zerstörten Städte anzusehen. „Lassen Sie die Welt sehen, was Russland getan hat!“ Selenskyj, der Butscha am Montag besuchte, befürchtet, dass russische Truppen nun versuchten, „die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen“.

Bürgermeister bittet um Hilfe

Derweil bittet der Bürgermeister von Butscha um Hilfe. Er bitte insbesondere Ärzte und Mitarbeiter verschiedener Versorgungsunternehmen, nach Butscha zurückzukehren, sagte Anatoli Fedoruk in einer Videobotschaft. Derzeit gebe es in dem Vorort der Hauptstadt Kiew weder Strom noch Gas, doch diese kritische Infrastruktur solle mithilfe von Spezialisten schnellstmöglich wieder hergestellt werden. „Wenn Sie können, kommen Sie zurück!“

Ukraine kündigt Fluchtkorridore an

Die Ukraine kündigte derweil für heute die Einrichtung von insgesamt sieben Fluchtkorridoren für die Evakuierung von Zivilisten an. Die belagerte Hafenstadt Mariupol könnten Bewohner aber ausschließlich in Privatautos verlassen, sagte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk der Agentur Ukrinform zufolge. Sie warf den russischen Truppen vor, entgegen ihrer Zusagen den Zugang nach Mariupol für Hilfkonvois weiter zu blockieren. Kiew und Moskau beschuldigen sich seit Wochen gegenseitig, die Flucht von Zivilisten zu sabotieren.

Moskau: Verhandlungen laufen weiter

Trotz all der Geschehnisse gehen die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland Angaben aus Moskau zufolge weiter. „Derzeit laufen intensive Verhandlungen mit der ukrainischen Seite im Videoformat“, sagte Russlands Vize-Außenminister Andrej Rudenko in einem Interview der Agentur Interfax. Solange es noch keine Einigung über ein abschließendes Dokument gebe, sei es aber zu früh, um beispielsweise über ein Treffen von Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba zu sprechen.

CSU fordert weitere Waffen für die Ukraine

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Bundesregierung auf, die Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen zu unterstützen. „Die Bilder aus Butscha treffen in Mark und Knochen und zeigen einen unbeschreibbaren Zivilisationsbruch Russlands“, sagte Dobrindt der „Augsburger Allgemeinen“.

„Es braucht jetzt eine weitere Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine mit Waffen, geschützten Fahrzeugen und Aufklärungstechnik mit Drohnen, die nicht nur von der Bundeswehr, sondern auch aus der Industrie heraus geliefert werden müssen.“

Baerbock verteidigt Kurs bei russischen Energielieferungen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte vor überzogenen Erwartungen an ein sofortiges Embargo gegen Energie aus Russland. „Wenn man morgen komplett ein Embargo hätte, wenn das diesen Krieg stoppen würde, dann würden wir das unverzüglich tun“, sagte die Grünen-Politikerin in den ARD-„Tagesthemen“.

Ein solcher Ausstieg würde den Preis dieses Krieges zwar hochtreiben. „Er würde aber nicht dazu führen, dass morgen dieses Morden zu Ende ist.“ Man werde jedoch einen Komplettausstieg aus fossiler Energie aus Russland nicht nur vorbereiten, sondern „massiv in die Wege leiten“, sagte Baerbock.

Ukraine erwartet schwere Angriffe auf Charkiw

Das ukrainische Verteidigungsministerium rechnet mit weiteren russischen Angriffen auf die die belagerte Millionenstadt Charkiw im Osten der Ukraine. Russische Truppen bereiteten sich darauf vor, die Stadt zu erobern, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew, Olexander Motusjanyk, nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“. Auch in anderen Gebieten im Osten der Ukraine erhielten russische Truppen Verstärkung.

Bei russischen Angriffen auf die südukrainische Stadt Mykolajiw wurden nach ukrainischen Angaben mehrere Menschen getötet und verletzt. Der Gouverneur des Gebietes, Witalij Kim, berichtete von 11 Getöteten und 62 Verletzten. In der Nacht gab es Luftalarm auch in den Gebieten Poltawa, Charkiw, Dnipropetrowsk sowie in den Gebieten Sumy, Tschernihiw, Luhansk, Donezk und Saporischschja.

Ukraine: Derzeit rund 600 russische Kriegsgefangene

Etwa 600 russische Soldaten befinden sich in Kriegsgefangenschaft der Ukraine, wie Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“ im Einheitsprogramm des ukrainischen Fernsehens sagte. Man suche nach Wegen, über das Rote Kreuz Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft zu erreichen, und wolle Russland dazu bringen, sie freizulassen.

Ukraine: Wiederaufbau von Brücken dauert zwei bis drei Monate

Der Wiederaufbau während des Kriegs zerstörter Brücken in der Region Kiew werde etwa zwei bis drei Monate dauern, teilte das ukrainische Infrastrukturministerium nach Angaben der Agentur Unian mit. Die Arbeiten sollen demnach in den kommenden Tagen beginnen.

Mit einer Unterstützer-Konferenz in Berlin will Außenministerin Baerbock am Dienstag die internationale Hilfe für die von vielen ukrainischen Kriegsflüchtlingen aufgesuchte Republik Moldau ankurbeln. Dabei sollen etwa die Versorgung der Flüchtlinge sowie die gestiegenen Energiepreise eine Rolle spielen.

Präsident Selenskyj will sich per Videoschalte an die Mitglieder des Weltsicherheitsrates der Vereinten Ntionen wenden.

dpa

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