Gesundheitsrisiko Hitze Was getan werden muss, um Deutschland für die Zukunft zu rüsten

Ein Mann kühlt sich an einem Brunnen im Wasser ab.
Ein Mann kühlt sich an einem Brunnen im Wasser ab. © picture alliance/dpa
Lesezeit

Der Hochsommer ist da – mit voller Wucht: An diesem Mittwoch werden in Deutschland Rekordwerte erwartet. Mancherorts kratzen die Temperaturen an der 40-Grad-Marke. Es wird der heißeste Tag des Jahres.

Diese extreme Hitze, die wegen des Klimawandels immer häufiger auftreten wird, kann schnell zur Gefahr für die Gesundheit werden. Auch, weil nach Ansicht vieler Verbände die Hitzeschutzmaßnahmen in Deutschland nicht ausreichen.

Sozialverband: Deutschland braucht effektive Hitzeaktionspläne

Generell gilt: Vor Hitze sollten sich alle Menschen schützen. Es gibt aber Gruppen, die besonders gefährdet sind. „Das sind ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen, Kinder, Schwangere und Wohnungslose“, sagte Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands SoVD, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Hitzeschutz müsse in allen Bereichen mitgedacht werden – etwa beim Umbau von Städten, im Wohnungsbau sowie bei der Modernisierung von Schulen, Kitas und Pflegeeinrichtungen. „Deutschland braucht endlich flächendeckend effektive Hitzeaktionspläne, die auch ausreichend finanziert werden“, forderte Engelmeier.

Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) will den Bedarf erkannt haben. „Wir müssen unsere Städte angesichts des Klimawandels fit für die Zukunft machen“, sagte Hubertz dem RND. „Drückende Hitze und heiße Nächte bieten für alle kaum Luft zum Durchatmen und erschweren den Alltag – egal ob man auf der Baustelle, in der Kita oder im Pflegeheim arbeitet.“ Das sei für alle eine Herausforderung, vor allem auch für Ältere und Kinder.

Mehr Parks und Schatten, kühlere Ecken, hellere Häuserfassaden sowie nachhaltige Materialien wie Holz würden dabei helfen, die Städte zu kühlen, erklärte Hubertz – und verspricht: Bis 2029 will die Bundesregierung die nötigen Mittel für die Städtebauförderung verdoppeln.

Sinkende Zahl hitzebedingter Krankenhausbehandlungen kein Grund zur Erleichterung

Extreme Hitze als Gesundheitsrisiko

Mit gut 800 Fällen lag die Zahl der hitzebedingten Behandlungen 2023 also unter diesem langjährigen Mittel. Die Statistiker führen das zwar auf die Corona-Pandemie zurück – aber auch auf eine höhere Sensibilisierung der Bevölkerung auf das Thema.

So sind die Zahlen für Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), kein Grund zur Entwarnung: „Wir erwarten in Zukunft wieder steigende Fallzahlen, da auch die Hitzetage tendenziell zunehmen werden. Daher müssen die Kliniken auf mehr Extremwetter-Situationen vorbereitet sein.“ Das sei aber nicht der Fall.

Nur wenige Kliniken würden aber über klimatisierte Räume verfügen, sagte Gaß dem RND. Um die Hitze zu bewältigen, setzen Kliniken derzeit auf einfache Mittel wie Ventilatoren, Fensterverschattungen und Kühlakkus. „Um Patientinnen, Patienten und Personal zu schützen, sind jedoch auch langfristige Maßnahmen notwendig, etwa durch den Umbau und die Sanierung der Gebäude“, erklärte Gaß. Dafür brauche es ausreichend Geld.

Hitze erhöht Sterberisiko

Das Statistische Bundesamt weist auch aus, wie viele Menschen laut amtlicher Todesursachenstatistik an Hitzschlägen oder Sonnenstichen starben: Im Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2023 lag diese Zahl demnach bei 22 Toten. 2023 waren es 37. Sehr hohe Temperaturen ließen die Sterblichkeit jedoch insgesamt steigen, da in vielen Fällen die Kombination aus Hitze und Vorerkrankungen das Sterberisiko erhöhe.

Andere Behörden haben umfassendere Schätzungen: Das Umweltbundesamt gibt in einer gemeinsamen Schätzung mit dem Robert Koch-Institut an, dass in den Jahren 2023 und 2024 jährlich rund 3000 Menschen hitzebedingt starben.

Bundesärztekammer fordert verbindliche Hitzeschutzpläne

Zwar seien die Ärztinnen und Ärzte auf die Hitzewelle vorbereitet, erklärt der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. „Aber wir können das nicht allein leisten“, sagte er dem RND. Hitzeschutz beginne nicht in Arztpraxen und Kliniken. „Was Deutschland dringend braucht, sind verbindliche Hitzeschutzpläne, klare Zuständigkeiten und gezielte Unterstützung für besonders gefährdete Menschen.“

Auch Schüler und Lehrkräfte sind nicht ausreichend geschützt, mahnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Gründächer, entsiegelte und begrünte Schulhöfe, Schattenspender, Sonnensegel, Wärmeschutzverglasung und Jalousien müssen Standard werden“, sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze. Zudem brauche es flächendeckend kostenloses Trinkwasser sowie Erste-Hilfe- und Sicherheitsschulungen zum Umgang mit Hitze.

Die Diakonie ruft dazu auf, öffentliche Einrichtungen derzeit für wohnungslose Menschen zu öffnen. „Klimatisierte Einrichtungen wie Bezirksämter, Bibliotheken und Museen sollten tagsüber zugänglich gemacht werden“, fordert sie. „Gerade an heißen Tagen zählt jede kleine Geste. Eine Flasche Wasser kann Leben retten“, sagt Elke Ronneberger, Sozialpolitik-Vorständin der Diakonie.

Vorsicht beim Baden während Hitze

Und selbst auf der Suche nach Abkühlung lauern Gefahren: „Total unterschätzt wird, welche Auswirkungen die Temperaturunterschiede beim Gang oder Sprung ins Wasser haben können“, warnt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Hitze belastet den Herz-Kreislauf zum Teil enorm. Das zu schnelle Eintauchen in kühle Gewässer ist eine zusätzliche große Belastung, die direkt zu gesundheitlichen Problemen führen kann“, so DLRG-Sprecher Martin Holzhause. Kollabiert der Kreislauf, sei das im Wasser viel schneller lebensbedrohlich als an Land.

Mehr Jobs

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen