Islamistische Anschläge in Deutschland Eine Chronologie

Nach dem Terroranschlag von Solingen wurde die Polizeipräsenz vielerorts verstärkt.
Nach dem Terroranschlag von Solingen wurde die Polizeipräsenz vielerorts verstärkt. © picture alliance/dpa
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Nach dem Attentat von Solingen am vergangenen Freitag, bei dem der mutmaßliche Täter Issa al-H. drei Menschen getötet haben soll, brandet erneut eine Debatte um Sicherheits- und Migrationspolitik sowie beschleunigte Abschiebeverfahren auf. Jüngst hat ein Sprecher des Bundeskriminalamts 472 Menschen als „religiös motivierte Gefährder“ in Deutschland eingestuft. 208 dieser Personen, die sich dem Dschihad verschworen haben sollen, seien im August 2024 auf freiem Fuß. Der Dschihad legitimiert in manchen Auslegungen den gewalttätigen Kampf für ein Leben nach streng radikal-islamischen Werten und Normen.

Sich stetig verändernde Vorgehensweisen und Anschlagsziele radikaler Terrorvereinigungen lassen sich mitunter für die Behörden nur schwer vorhersehen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Mittel der Wahl sind oft Sprengstoffe und in jüngerer Vergangenheit vor allem Messer. Eine Chronologie islamistisch motivierter Anschläge und Anschlagsversuche in Deutschland seit 2006:

Juli 2006, Kölner „Kofferbomber“

Juli 2006, Kölner „Kofferbomber“: Ein geplanter Bombenanschlag auf zwei Regionalzüge verläuft dank eines Konstruktionsfehlers erfolglos. Youssef H. platziert am Kölner Hauptbahnhof eine Bombe in einem Zug nach Koblenz. Der damals 21-Jährige versteckt das Gemisch aus Gas und Benzin samt Zeitzünder in einem Koffer. Doch der Sprengstoff detoniert nicht. Wenige Wochen später wird der von der Presse so genannte „Kofferbomber“ festgenommen und 2008 zu lebenslanger Haft verurteilt. 2020 wird der Libanese schließlich in seine Heimat abgeschoben.

September 2007, Anschlagspläne der „Sauerland-Gruppe“

Nach einer aufwendigen Kooperation der amerikanischen CIA und deutscher Geheimdienste nimmt die Antiterroreinheit GSG 9 in einem Ferienhaus im Sauerland eine Terroristengruppe fest. Die zum Islam konvertierten Deutschen Fritz G. und Daniel S. sowie der türkische Staatsbürger Adem Y. unterhalten Kontakte zu Al-Qaida und planen Autobombenanschläge an den Flughäfen in Dortmund und Düsseldorf. Mindestens 150 Menschen sollen dabei ihr Leben verlieren. Vor Gericht sagt Fritz G. aus, wie er und seine drei Komplizen nach Pakistan geschleust und dort drei Monate lang ausgebildet wurden. Im März 2010 wird die „Sauerland-Gruppe“ zu Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt.

März 2011, Soldatenmorde von Frankfurt

Zwei US-Soldaten werden am Flughafen in Frankfurt am Main von Arid U., einem jungen Kosovo-Albaner, erschossen, zwei weitere schwer verletzt. Der 21-jährige Täter fanatisiert sich durch einschlägige Seiten im Internet und handelt als Einzeltäter. Im an der Bushaltestelle des Terminals 2 stehenden Bus schießt Arid U. nach dem Ausruf „Allahu akbar“ auf dort sitzende US-Soldaten. Anschließend versucht er zu fliehen, wird jedoch im Innenraum des Terminals überwältigt. 2012 wird er zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest.

Dezember 2012, Sprengsatzfund in Bonn

Auf einem Bahnsteig des Bonner Hauptbahnhofs wird ein Sprengsatz in einer Sporttasche vom Bahnpersonal entdeckt. Doch fehlt bei der Rohrbombe, um die vier Butangas-Kartuschen gebunden sind, ein funktionstüchtiger Zünder, sodass die Apparatur nicht explodiert. Der Hauptverdächtige ist Marco G., ein zum Islam konvertierter Deutscher, der der Bonner Salafistenszene zugerechnet wird. Er kann mit der Aufnahme einer Überwachungskamera identifiziert werden. In seiner Wohnung finden die Behörden Chemikalien und Waffen. Nach einem langen Prozess verurteilt ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf 2017 zu lebenslanger Haft. Auch seine Komplizen werden mit langen Gefängnisstrafen belegt.

Februar 2016, Minderjährige sticht auf Polizisten ein

Besonderes Aufsehen erregt die Tat der 15-jährigen Safia S. am Hauptbahnhof Hannover. Mit einem Messer verletzt sie einen Bundespolizisten lebensgefährlich im Zuge einer Kontrolle. Die Schülerin schließt sich dem „Islamischen Staat“ an und plant eine „Märtyreroperation“ in Deutschland. Über einen Messenger-Dienst bekommt Safia S. konkrete Anweisungen von einer IS-Anhängerin zur Tat. Demgemäß soll sie dem Polizisten nach der Attacke mit dem Messer die Waffe entreißen und ihn daraufhin erschießen. Im Januar 2017 wird sie zu sechs Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Juli 2016, Anschlag in Regionalbahn bei Würzburg

Ein als minderjährig und unbegleitet registrierter Flüchtling attackiert in einer Regionalbahn bei Würzburg Passagiere mit Axt und Messer. Der Afghane, der während der Tat mehrfach „Allahu akbar“ gerufen haben soll, verletzt vier Touristen schwer. Infolge einer Notbremsung flieht der Islamist aus dem Zug, wird jedoch von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei unweit des Zuges gestellt und erschossen. Kurz darauf veröffentlicht der IS ein Bekennervideo von ihm und reklamiert den Anschlag für sich.

Juli 2016, Sprengstoffanschlag von Ansbach

Ein 27-jähriger Syrer sprengt sich in Ansbach bei einem Musikfestival in die Luft. Um größtmöglichen Schaden anzurichten, versucht der Islamist, ins Herz der Menschenmenge zu gelangen, kommt jedoch ohne Eintrittskarte nicht durch die Einlasskontrollen. Vor einem Weinlokal lässt er die Splitterbombe in seinem Rucksack explodieren. 15 Menschen werden dabei verletzt, der Täter selbst stirbt. Ermittlungen bestätigen, dass er während seines Aufenthaltes in Ansbach und davor in Kontakt mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ stand. Mehrfach ist er zuvor strafrechtlich in Deutschland in Erscheinung getreten und galt als psychisch krank. Auch in diesem Fall bestätigten die Behörden die Echtheit eines Bekennervideos, das den Täter vermummt zeigen soll.

Dezember 2016, Attentat am Breitscheidplatz

Einer der eindrücklichsten Anschläge ereignet sich am Berliner Breitscheidplatz: Ein Islamist bringt den Lastwagen einer polnischen Spedition unter seine Kontrolle, tötet den Fahrer und rast damit selbst dann auf dem Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge. Elf Menschen kommen dabei ums Leben, über 50 werden verletzt. Dem Täter, Anis Amri, gelingt über die Niederlande und Frankreich die vorläufige Flucht nach Italien. In der Nähe von Mailand wird er Tage später bei einem Schusswechsel mit italienischen Polizisten getötet. Der IS veröffentlicht daraufhin ein Video, in dem Amri die Treue zum Anführer der Gruppe schwört.

Juli 2017, Messerattacke in Hamburg

Ahmad A. ersticht in einem Supermarkt einen 50-jährigen Mann und verletzt fünf weitere Personen schwer. Passanten überwältigen ihn. In seinem Geständnis betont der Täter, er habe religiöse Motive gehabt. Ihm sei es wichtig gewesen, möglichst viele deutsche Staatsangehörige christlichen Glaubens zu ermorden. Der Generalbundesanwalt stuft Ahmad A., der in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen aufgewachsen sein soll, als islamistischen Einzeltäter ein, der inzwischen wegen Mordes mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt wurde.

Oktober 2020, Angriff auf Homosexuelle in Dresden

Große Betroffenheit löst ein Messerattentat in Sachsens Landeshauptstadt aus: Ein Syrer greift zwei homosexuelle Touristen mit einem Messer an. Dabei wird einer der Männer des Paares getötet, der andere schwer verletzt. Der homophobe Islamist, vorbestraft und unter Führungsaufsicht, wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch hier stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen. Auf die Frage nach seinen Beweggründen gibt der Täter zu Protokoll, Homosexuelle müssten als „Ungläubige und Feinde Gottes bekämpft, geschlagen und getötet werden“.

April 2022, Anschlagsserie von Duisburg

Ein Syrer tötet einen Passanten in der Duisburger Altstadt mit 28 Messerstichen, entkommt und verletzt wenige Tage später in einem Fitnessstudio mehrere Männer schwer. Nach der zweiten Tat wird der Mann festgenommen. Einsatzkräfte stoßen in seiner Unterkunft auf ein Schriftstück, das auf Arabisch Auskunft über Sprengstoffe und Giftgase gibt. Im Prozess gibt der Angeklagte an, er respektiere deutsche Gesetze nicht und folge lediglich den Lehren des IS, für den nur die Gesetze des Islam zählten. Nach seinem Bekenntnis zum IS wird er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Mai 2024, Messerangriff in Mannheim

Sulaiman A., ein Afghane, verletzt am Informationsstand einer islamkritischen Kundgebung mehrere Menschen mit einem Jagdmesser. Zwischenzeitlich gelingt es Teilnehmern, den Islamisten auf dem Boden zu fixieren. Sulaiman A. kann sich jedoch befreien und sticht dem zu Hilfe gekommenen Polizisten Rouven L. von hinten zweimal mit dem Messer in den Kopf, ehe er von einem weiteren Polizisten erschossen wird. Zwei Tage ringt der 29-jährige Beamte wegen mehrerer Stichverletzungen um sein Leben, stirbt letztlich jedoch an ihnen. Die Tat am Mannheimer Marktplatz wird mit einer Handykamera gefilmt und anschließend in sozialen Netzwerken geteilt. Aufgrund des religiösen Hintergrunds übernimmt der Generalbundesanwalt die Ermittlungen.

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