
Von dem großen amerikanischen Comedian Groucho Marx stammt der Satz: „Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“ Für Journalisten liegt der Fall etwas anders, sie müssen über die Landtagswahlen am 1. September umfassend berichten. Die AfD hat nach allen Umfragen der vergangenen Monate sehr gute Chancen, erstmals stärkste Partei im Freistaat zu werden. Die Wahlveranstaltung der Partei an dem Abend ist traditionell der Ort, an dem sich das Spitzenpersonal der AfD sowie andere Kandidierende und Mitglieder mit der Presse über das Ergebnis austauschen. Wie geht es weiter? Welche Gespräche werden die Parteien miteinander aufnehmen – wer strebt Regierungsverantwortung an und wer gerade nicht?
AfD-Pressesprecher zur Anfrage: „Nein, eine Akkreditierung ist nicht möglich“
Da der Platz bei einer Wahlveranstaltung oft begrenzt ist, hat das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bereits am 1. August, also einen Monat vor der Wahl, eine Mail an den Thüringer AfD-Pressesprecher Torben Braga geschickt mit der Frage, ob man sich anmelden könne. In der Journalistensprache heißt das Akkreditierung. Zuvor hatte die AfD Sachsen an jenem Tag über ihren Presseverteiler eine Einladung zu ihrer Dresdner Wahlparty verschickt.
Aus Thüringen kam folgende knappe Antwort: „Nein, eine Akkreditierung ist nicht möglich.“ Keine weitere Erklärung. Vielleicht war es einfach zu früh, und die Mühlen mahlen in Erfurt langsamer als in Dresden? Zwei Wochen später, am 13. August, also eine erneute Mail an Braga mit derselben Frage. Und mit derselben, leicht variierten Antwort: „Eine Akkreditierung ist, wie gesagt, nicht möglich.“
Was Braga in seinen knappen Mails nicht erwähnt hat: Auch die AfD Thüringen hat über ihren Presseverteiler eine Einladung zu ihrer Wahlparty verschickt, und zwar am 7. August mit einer Frist bis zum Ablauf des 21. August. Diese Einladung aber erreichte weder das RND noch andere Medien wie den „Spiegel“, die „taz“ oder „Welt“ und „Bild“ – trotz der frühzeitigen Anfrage. Auf Nachfrage bestätigte Braga bereits am 13. August, dass nicht alle Medien von der Wahlveranstaltung ausgeschlossen seien: „Es werden mehrere Pressevertreter anwesend sein“, schrieb er per Mail.
Im Nachhinein argumentierte die AfD Thüringen damit, dass 50 von 200 Plätzen an Journalistinnen und Journalisten vergeben wurden und damit die Kapazitäten des angemieteten Saals erschöpft seien.
AfD begründet Absage nicht
Warum bestimmte Medien, darunter das RND, trotz der frühzeitigen und mehrfachen Bitte um Akkreditierung ausgeschlossen wurden, verschweigt die Partei. Fest steht inzwischen: Hierbei handelte es sich nach Ansicht des Landgerichts Erfurts um einen willkürlichen Eingriff in die Pressefreiheit nach Artikel 5 und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes.
Nach einer Klage der betroffenen Medien erwirkte Rechtsanwalt Christoph Partsch eine einstweilige Verfügung: Die AfD Thüringen muss den Antragstellern demnach in gleichem Umfang wie anderen Medienvertretern Zugang zur Wahlparty gewähren.
Die AfD aber gab sich nicht geschlagen und erreichte am Freitag beim Thüringer Verfassungsgerichtshof, dass das Landgericht mündlich verhandeln musste. Erstmals gab es eine Art einer Begründung, die tief blicken lässt: Ihr Rechtsanwalt versteigt sich zu der Behauptung, das RND und die anderen Medien seien „in der Vergangenheit wiederholt mit großer Diffamierungsabsicht zu Tage getreten“. Hier wird wahrheitsgetreue und kritische Berichterstattung mit „Diffamierungsabsicht“ verwechselt.
Am Samstag gab es nun die Verhandlung vor dem Landgericht. Wieder entschieden die Richter: Die AfD muss die klagenden Presseorgane zulassen. Die Partei sagte daraufhin am Samstagabend lieber die Wahlparty für alle Journalisten ab, als dem Urteil Folge zu leisten. Bewerten kann das jeder, wie er mag. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat empört auf eine Absage der AfD Thüringen an alle Medien reagiert, die von deren Wahlparty nach der Landtagswahl am Sonntag berichten wollten. DJV-Sprecher Hendrik Zörner sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Sonntag in Berlin, die laut Medienberichten am Samstag ausgesprochene Absage an alle Journalistinnen und Journalisten sei „politisch unerhört“. Er kenne keinen vergleichbaren Vorgang.
Trotzdem werden Sie am Sonntagabend von uns erfahren, wie Björn Höcke und die AfD in Thüringen – nach eigenen Aussagen – mit dem Wahlergebnis umzugehen gedenken.