
Papst Franziskus hat am Mittwoch die Nato-Osterweiterung als Grund für den Krieg in der Ukraine mitverantwortlich gemacht. In einem Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ sagte Franziskus, das Verhalten der Nato habe den russische Präsidenten Wladimir Putin vielleicht dazu veranlasst, in die Ukraine einzumarschieren. Wortwörtlich beschrieb der Papst die militärische Verstärkung im Osten Europas als „Bellen“ vor Russlands Tür.
Zwar gestand Franziskus, er könne nicht sagen, ob Putins Wut gegenüber der Ukraine provoziert wurde, „aber ich vermute, dass sie vielleicht durch die Haltung des Westens erleichtert wurde“. Der Sicherheitspolitik-Experte Markus Kaim von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) sagte gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Der Papst wiederholt leider eine altbekannte russische Propaganda, die jeder Grundlage entbehrt. Weder hat die Nato Russland versprochen, sich nicht nach Osten zu erweitern, noch steht man den Russen feindlich gegenüber – im Gegenteil.“
Auf die Frage, ob der Papst vorhabe, selbst nach Kiew reisen zu wollen, zeigte sich Franziskus zurückhaltend. „Ich bin noch nicht bereit, nach Kiew zu reisen“, erklärte er im Interview. „Zuerst muss ich nach Moskau, ich will zuallererst Putin treffen.“ Allerdings habe der Papst geringe Hoffnungen für die Gespräche mit dem Kremlchef. Aber er tue, was er kann.
Vergleich mit Völkermord in Ruanda
Nach eigenen Angaben, habe der Papst bereits im März den Kremlchef um ein Gespräch gebeten. Auch nach mehrfacher Nachfrage, habe das Oberhaupt der Katholischen Kirche keine Antwort aus Moskau erhalten. „Aber wie kann man nicht alles versuchen, um die Gräueltaten zu stoppen? Vor 25 Jahren haben wir in Ruanda etwas Ähnliches gesehen“, sagte der Papst am gegenüber „Corriere della Sera“ mit Hinblick auf den Völkermord im Osten Afrikas.
Die größte Befürchtung des Papstes sei nun, dass Putin seinen Krieg in absehbarer Zukunft nicht beenden werde.
Angesichts der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine, sei sich der Papst indes unsicher. Seine Doktrin habe das Wettrüsten immer abgelehnt, schreibt das italienische Blatt über Franziskus. „Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist, die ukrainischen Kämpfer (mit Waffen, Anm. d. Red.) zu versorgen“, erklärt der Papst selbst. Grundsätzlich gelte für das Kirchoberhaupt: „Die Produktion und der Verkauf von Rüstungsgütern ist eine Schande, aber nur wenige sind mutig genug, sich dagegen zu wehren.“