100 Festnahmen bei Tumult in London Nach tödlicher Messerattacke auf Kinder in Southport

In London eskalierten Proteste von Ultranationalisten.
Bei einer Demonstration in Southport wurde ein Polizeiwagen angezündet, nachdem am Montag während einer Taylor Swift-Veranstaltung in einer Tanzschule mehrere Kinder bei einem "grausamen" Messerangriff ums Leben gekommen und verletzt worden waren. © Jordan Pettitt/PA Wire/dpa
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Update 3.8., 17.17 Uhr: Bei nationalistischen Protesten in Großbritannien infolge der Messerattacke von Southport ist es stellenweise zu neuen Ausschreitungen gekommen. In mehreren Städten, darunter Leeds, Liverpool, Nottingham und Belfast, standen sich Teilnehmer von antimuslimischen Kundgebungen und Gegendemonstranten gegenüber. Bei Randale im nordostenglischen Sunderland gab es am Freitagabend schwere Schäden.

Kabinettsmitglieder wollen in einer Telefonschalte die Lage beraten, wie die Nachrichtenagentur PA meldete. Die Ausschreitungen gelten als erste Prüfung für den neuen Premierminister Keir Starmer, der seit genau einem Monat im Amt ist.

Ein Blick auf das durch Feuer beschädigte Büro der Beratungsorganisation Citizens Advice. Nach schweren Krawallen und Angriffen von Rechtsextremen auf die Polizei wegen der Bluttat von Southport sind zehn Menschen festgenommen worden.© Tom Wilkinson/PA Wire/dpa

Update 2.8., 13.45 Uhr: Nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Großbritannien hat die Polizei einen Elfjährigen wegen Brandstiftung festgenommen. Der Junge soll bei Krawallen in der nordostenglischen Stadt Hartlepool ein Polizeiauto angezündet haben. Der Wagen brannte aus.

Die Behörden rüsten sich für weitere Ausschreitungen heute Abend und am Wochenende. In zahlreichen Städten riefen Ultranationalisten zu Protesten auf, häufig in der Nähe von Moscheen. Die Regierung des neuen Premierministers Keir Starmer hat ein hartes Durchgreifen gegen Randalierer angekündigt.

Update 1.8., 6.40 Uhr: Nahe dem britischen Regierungssitz in London sind mehr als 100 Menschen bei Ausschreitungen britischer Ultranationalisten nach der tödlichen Messerattacke von Southport festgenommen worden. Wie die Polizei auf der Plattform X mitteilte, gab es einen Angriff auf einen Sanitäter, zudem wurden Beamte leicht verletzt und es kam zu Verstößen gegen die Auflagen des geplanten Protests. Hintergrund ist die Messerattacke im britischen Southport, bei der drei Kinder starben. Der Tatverdächtige wurde inzwischen wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes angeklagt, wie die Polizei mitteilte.

Am Dienstagabend hatte es bereits in Southport gewaltsame Ausschreitungen gegeben. Rechtsextreme werfen den Behörden vor, die vermeintliche Wahrheit über die Herkunft des Messerangreifers zu vertuschen. Falschnachrichten hatten das Gerücht in Umlauf gebracht, es handele sich um einen irregulär eingereisten muslimischen Asylbewerber. Laut Polizei wurde der Tatverdächtige aber in Großbritannien geboren.

Der 17-Jährige befindet sich nach Polizeiangaben in Untersuchungshaft und soll an diesem Donnerstag vor Gericht in Liverpool erscheinen. „Diese Anklage ist zwar ein wichtiger Meilenstein in diesem Fall, aber die Ermittlungen sind noch in vollem Gange“, sagte die Präsidentin der Merseyside Police, Serena Kennedy.

Die Protestaktion in London stand unter dem Motto „Enough is enough“ (Genug ist genug). Teilnehmer riefen „Rule Britannia“ und forderten in Sprechchören, die Einreise irregulärer Migranten zu stoppen. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie es zu Handgemengen zwischen Rechten und der Polizei kam. Medienberichten zufolge warfen Randalierer Flaschen und Dosen, aber auch Feuerwerkskörper gegen den Zaun, der den Regierungssitz in der Downing Street abschirmt.

Rechtsextreme Krawalle nach Messerattacke

Erstmeldung: Nach der tödlichen Messerattacke in Southport ist ein Protest britischer Ultranationalisten nahe dem Regierungssitz Downing Street eskaliert. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie es zu Handgemengen zwischen Rechten und der Polizei kam. Medienberichten zufolge warfen Randalierer Flaschen und Dosen, aber auch Feuerwerkskörper gegen den Zaun zur Downing Street. Mindestens ein Mann wurde festgenommen.

Die Protestaktion stand unter dem Motto „Enough is enough“ (Genug ist genug). Teilnehmer riefen „Rule Britannia“ und forderten in Sprechchören, die Einreise irregulärer Migranten zu stoppen. Rechtsextreme werfen den Behörden vor, die Wahrheit über die Herkunft des mutmaßlichen Täters von Southport zu vertuschen. Falschnachrichten hatten das Gerücht in Umlauf gebracht, es handele sich um einen irregulär eingereisten muslimischen Asylbewerber.

Menschen stoßen während Unruhen mit der Polizei zusammen, in der Nähe des Ortes, an dem am Vortag drei Mädchen bei einem Messerangriff getötet wurden.
Menschen stoßen während Unruhen mit der Polizei zusammen, in der Nähe des Ortes, an dem am Vortag drei Mädchen bei einem Messerangriff getötet wurden.© picture alliance/dpa/PA Wire

Southport unter Schock

Die britische Küstenstadt Southport steht nach dem tödlichen Messerangriff auf mehrere Kinder und antimuslimischen Ausschreitungen von Rechtsextremen unter Schock. Einige Straßen glichen am Morgen einem Trümmerfeld, nachdem Randalierer nahe einer Moschee mit Ziegelsteinen, Mülleimern und Straßenschildern auf Polizisten losgegangen waren. Ein ausgebrannter Polizeiwagen war zu sehen. 39 Beamte wurden dabei verletzt, 27 von ihnen mussten in Kliniken behandelt werden.

Southport: Motiv für Bluttat unklar

Die schweren Krawalle, die nach einer friedlichen Mahnwache Tausender Menschen für die Opfer ausbrachen, wurden nach Polizeiangaben von Gerüchten und Falschmeldungen über die Identität des mutmaßlichen Täters geschürt. Der 17-Jährige soll am Montag drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und acht weitere Kinder sowie zwei Erwachsene teils schwer verletzt haben. Das Motiv ist noch unklar.

Menschen stoßen während Unruhen mit der Polizei zusammen, in der Nähe des Ortes, an dem am Vortag drei Mädchen bei einem Messerangriff getötet wurden.
Bei schweren Ausschreitungen von Rechtsextremen nach dem tödlichen Messerangriff im englischen Southport sind 39 Polizisten verletzt worden.© picture alliance/dpa/PA Wire

Im Internet kursierten Berichte, bei dem Tatverdächtigen handele es sich um einen muslimischen Asylbewerber mit arabisch klingendem Namen, der bereits vom britischen Geheimdienst beobachtet worden sei. Kritiker warfen dem rechtspopulistischen Abgeordneten Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, vor, die Stimmung anzuheizen. Der Chef der Partei Reform UK hatte in einem bei X hochgeladenen Video spekuliert, dass die Behörden die „Wahrheit vor uns zurückhalten“.

Polizei weist Online-Spekulationen zurück

Die Polizei wies die Angaben, die auch von einem russischen Staatsmedium verbreitet wurden, deutlich zurück. Der 17-Jährige sei in Großbritannien geboren worden, betonte sie. Die BBC berichtete, der Teenager sei Sohn ruandischer Eltern und lebe seit mehr als zehn Jahren in der Region Southport. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Es handele sich nicht um eine Terrortat.

Die Angreifer hätten nach einer Mahnwache für die Opfer der Messerattacke sowohl Beamte als auch die örtliche Moschee mit Ziegelsteinen beworfen und ein Geschäft geplündert, so die Polizei. Außerdem setzten sie den Angaben zufolge Autos und Mülltonnen in Brand. Nach Angaben der Behörden waren die meisten Randalierer Mitglieder einer rechtsextremen Gruppe und eigens nach Southport gereist.

„Das waren Schlägertypen, die mit dem Zug gekommen sind, das waren keine Leute aus Southport“, sagte der örtliche Parlamentsabgeordnete Patrick Hurley dem Sender BBC Radio 4. Sie hätten die Bluttat für ihre eigenen politischen Zwecke missbraucht und „dieselben Ersthelfer und dieselben Polizisten“ angegriffen, die am Montag den Täter gestoppt hätten.

„Mahnwache gekapert“

Die britische Regierung verurteilte die Ausschreitungen scharf. Randalierer würden die volle Härte des Gesetzes spüren, kündigten der neue Premierminister Keir Starmer und Innenministerin Yvette Cooper an.

„Diejenigen, die die Mahnwache für die Opfer mit Gewalt und Brutalität gekapert haben, haben die trauernde Gemeinschaft beleidigt“, betonte der Regierungschef bei X. Starmer legte nahe dem Tatort Blumen niedergelegt. Dabei wurde der Premierminister, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist, von Schaulustigen belästigt, die ein schärferes Vorgehen gegen Migranten forderten.

Viele Bürger nehmen an einer Mahnwache in der Nähe des Tatorts in der Hart Street in Southport teil
Viele Bürger nehmen an einer Mahnwache in der Nähe des Tatorts in der Hart Street in Southport teil, wo am Montag während einer Taylor Swift-Veranstaltung in einer Tanzschule mehrere Kinder und Jugendliche starben und verletzt wurden.© James Speakman/PA Wire/dpa

Polizisten erlitten Knochenbrüche und Schnittwunden

Die bei den Ausschreitungen verletzten Einsatzkräfte erlitten laut Polizei unter anderem Knochenbrüche, Schnittwunden, vermutlich einen Nasenbruch und eine Gehirnerschütterung. Auch drei Polizeihunde wurden verletzt.

„Das ist keine Art, eine Gemeinschaft zu behandeln, schon gar nicht eine Gemeinschaft, die immer noch unter den Ereignissen vom Montag leidet“, sagte der stellvertretende Chef der Merseyside Police, Alex Goss. Die Polizei erhielt für 24 Stunden erweiterte Befugnisse zum Durchsuchen von Menschen in dem Stadtgebiet.

dpa

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