
Die AfD hat bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag ersten Ergebnissen zufolge jeweils mehr als ein Drittel der Sitze in den Landtagen gewonnen – wobei es in Sachsen am Morgen nach der Wahl Zweifel an der korrekten Berechnung der Sitzverteilung gibt. Eine eigene Mehrheit hat die AfD damit nicht. Auch eine Beteiligung der Partei an einer Regierungskoalition ist nicht in Sicht. Und doch hat die AfD massiv an Macht gewonnen.
In Thüringen ist die AfD erstmals stärkste Partei. Sie hat damit das Vorschlagsrecht für den Posten des Parlamentspräsidenten oder der Parlamentspräsidentin. Die Abgeordneten sind zwar nicht verpflichtet, einen AfD-Abgeordneten auch an die Spitze des Parlaments zu wählen. Sollten sie es nicht tun, würden sie jedoch erheblich von der traditionellen parlamentarischen Praxis abweichen. In einem dritten Wahlgang könnte ein Kandidat einer anderen Partei gewählt werden. Zuvor gilt: „Solange dieses Amt nicht besetzt ist, kann der Landtag nicht anfangen zu arbeiten.“ Das sagte der Jurist Maximilian Steinbeis dem „Demokratie-Radar“ des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) schon Anfang des Jahres. Steinbeis betreibt das „Verfassungsblog“ und leitet dort das „Thüringen-Projekt“.
AfD kann im Zweifel Wahl von Landesverfassungsrichterinnen und -richtern blockieren
Steinbeis warnt schon seit Monaten: Wenn die AfD ein Drittel der Parlamentssitze erhält, hat das besonders in Thüringen gravierende Auswirkungen. Dort, aber auch in Sachsen sind Änderungen bestimmter Gesetze, die einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen, dann ohne die Zustimmung der AfD nicht mehr möglich. Auch die Wahl von Landesverfassungsrichterinnen und Landesverfassungsrichtern erfordert in beiden Bundesländern eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das kann die höchsten Landesgerichte unter Druck setzen. „In Thüringen laufen bis 2029, also noch vor dem regulären Ende der kommenden Legislaturperiode, die Amtszeiten aller neun Mitglieder ab. In Sachsen und Brandenburg gilt dies für jeweils sechs der neun Mitglieder“, heißt es im „Verfassungsblog“.
Die Autorinnen und Autoren warnen außerdem vor einer dauerhaften Blockade des Richterwahlausschusses des Thüringer Landtags durch die AfD. Ohne die Zustimmung dieses Ausschusses könnten auch unterhalb des Verfassungsgerichts keine Richterinnen und Richter auf Lebenszeit ernannt werden. Die Hälfte aller Richterinnen und Richter in Thüringen geht demnach innerhalb der nächsten zehn Jahre in Pension – eine Blockade der Nachbesetzungen könnte deshalb folgenschwer sein.
Mit einer Sperrminorität von einem Drittel der Sitze kann die AfD in Thüringen außerdem die Nachbesetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums blockieren. Das Gremium kontrolliert den Landesverfassungsschutz – also ausgerechnet jene Behörde, die die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstuft und überwacht.