Tiktok-Verbot in den USA Ist das jetzt wirklich das Ende?

Das Logo der Video-App TikTok ist auf einem Smartphone vor einem Bildschirm mit Börsenkursen im Hintergrund zu sehen.
Tiktok könnte in den USA am 19. Januar aus den App-Stores verschwinden. © picture alliance/dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire
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Für die Plattform Tiktok haben in den USA die letzten Stunden geschlagen – das zumindest legt die aktuellste Gerichtsentscheidung im Fall nahe. Demnach hat ein US-Berufungsgericht einen Dringlichkeitsantrag des Unternehmens abgelehnt, in dem dieses um einen Aufschub gebeten hatte. Nun zieht Tiktok vor den Obersten Gerichtshof. Stimmt auch dieser gegen einen Aufschub, wird die App am 19. Januar 2025 wie geplant in den USA gesperrt.

Besiegelt ist das Schicksal der Plattform damit aber trotzdem noch nicht – denn in diesem einen Monat kann noch immer eine Menge passieren. Nicht zuletzt die Amtseinführung Donald Trumps am 20. Januar, nur einen Tag nach dem möglichen Verbot, könnte die Lage für Tiktok schlagartig verbessern. Dieser hatte schon durchblicken lassen, mit der Entscheidung eines Verbots nicht einverstanden zu sein.

Und wenn es doch zu einem Bann kommt? Was bedeutet das für die unter Teenagern beliebte Plattform? Und welche Auswirkungen könnte das für Nutzerinnen und Nutzer in Europa und Deutschland haben? Ein Überblick.

Warum Tiktok verboten werden soll

Ein mögliches Tiktok-Verbot liegt in den USA schon seit spätestens 2019 in der Luft. Damals drohte die Trump-Regierung erstmals mit einem Verbot der App. Auch Trump wies den chinesischen Eigentümer Bytedance an, seine Eigentumsrechte an der App zu veräußern. Das geplante Verbot wurde jedoch zunächst mit einem Gerichtsverfahren verhindert, später hob es der neue US-Präsident Joe Biden vorerst auf, um erst mal weitere Untersuchungen zur Plattform anzustellen.

2022 ging die Diskussion dann in die nächste Runde. Da machten sowohl Republikaner als auch Demokraten in ungewohnter Einigkeit gleichermaßen für ein Verbot mobil. Die Begründungen dafür waren dieselben wie schon zu Trump-Zeiten: Gesetzgeber und Regulierungsbehörden äußerten immer wieder Besorgnis darüber, Tiktok und sein Mutterkonzern könnten sensible Nutzerdaten wie Standortinformationen in die Hände der chinesischen Regierung treiben. Ein weiterer Punkt: Man befürchtete, dass durch den Empfehlungsalgorithmus der Plattform Desinformationen verbreitet werden könnten, andere argumentieren mit der Suchtgefahr der Plattform und dem Schutz von Kindern.

Tiktok selbst weist jegliche Vorwürfe seit jeher vehement zurück und unternahm große Anstrengungen, um sein Image aufzupolieren – gebracht hat das aber wenig. Im April dieses Jahres stimmte schließlich der US-Senat für ein Ultimatum, wonach der Konzern binnen neun Monaten seine US-Vermögenswerte verkaufen muss oder Tiktok andernfalls verboten wird.

Wie soll das Verbot durchgesetzt werden?

Sollte es im Januar tatsächlich zur Abschaltung in den USA kommen, heißt das nicht, dass die App dann automatisch „verschwindet“ oder es Nutzerinnen und Nutzern verboten wäre, sie zu nutzen. Vielmehr richtet sich das Gesetz (PDF) an Betreiber von Smartphone-Betriebssystemen, was konkret die Konzerne Apple und Google wären. Sie dürften Tiktok dann nicht mehr in den App-Stores für iOS und Android anbieten.

Darauf wurden die Konzerne auch bereits vorbereitet: Zwei Vorsitzende des China-Ausschusses des US-Repräsentantenhauses hatten in den vergangenen Tagen Briefe an Apple und Google mit der Forderung verschickt, die Entfernung der App für den 19. Januar vorzubereiten.

Rein technisch würde das bedeuten: Neue Nutzerinnen und Nutzer können die App nicht mehr herunterladen. Wer die App bereits installiert hat und sein Smartphone vorerst nicht wechselt, dürfte sie aber vermutlich zunächst weiter nutzen können, mutmaßen verschiedene Tech-Medien. Allerdings würden betroffene Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr von App-Updates profitieren, was das Programm langfristig unattraktiv machen dürfte, da neue Funktionen und Fehlerbehebungen nicht mehr ausgeliefert würden.

Wäre Tiktok in den USA damit tatsächlich tot?

Vieles deutet darauf hin, dass Tiktok mit diesem Schritt in den USA einen Großteil seiner Nutzerschaft verlieren würde. Zumindest in der Theorie ließen sich zwar viele der Verbotsmaßnahmen mit ein paar Tricks umgehen – Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzer wählen aber für gewöhnlich den Weg des geringsten Widerstandes.

Theoretisch wäre es etwa möglich, mithilfe eines VPN-Dienstes einen anderen IP-Standort vorzugaukeln, um Tiktok dann etwa über den Webbrowser weiter nutzen zu können – was aber eine eher unattraktive Art der Nutzung wäre. Auch wäre die Installation der App mit Tricks aus dem Ausland möglich, zum Beispiel indem man sich einen Apple-Account in einem anderen Land erstellt oder die App bei Android über eine Quelle außerhalb des offiziellen App-Stores installiert.

Fraglich ist, ob Betroffene derartige Mühen tatsächlich auf sich nehmen würden oder doch lieber gleich zu einer anderen Plattform wechseln. Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit herausgefunden, dass ein Großteil aller Technologienutzer eher bei den „Default“-Einstellungen seiner Geräte bleibt und keine Anstrengungen unternimmt, diese zu ändern. Das dürfte im Falle Tiktok ähnlich sein.

Zudem dürfte Tiktok für den US-Werbemarkt unattraktiv werden – und damit letztendlich auch für US-Videocreators. Das würde diese unmittelbar zu Alternativplattformen ziehen – und ihre Fans gleich mit. Zu beobachten ist das bereits: Viele US-Influencerinnen und -Influencer haben ihre Communitys in den vergangenen Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Inhalte auch auf Snapchat sowie Youtube Shorts und Instagram Reels zu finden seien – Letztere sind die Tiktok-Klone von Google und Meta.

Welche Auswirkungen hätte das Tiktok-Verbot auf deutsche Nutzer?

Klar ist: Ein Tiktok-Verbot in den USA würde Nutzerinnen und Nutzer in Europa und Deutschland zumindest rein technisch nicht betreffen – in der EU ist derzeit kein Tiktok-Verbot geplant. Ob es allerdings kulturelle Auswirkungen hat, darüber wird unter Social-Media-Expertinnen und -Experten dieser Tage kontrovers debattiert.

Grundsätzlich dürfte die weltweite Tiktok-Community inzwischen so groß sein, dass sie die USA nicht zwangsläufig braucht, um die Plattform weiter attraktiv zu halten. Allein die deutschsprachige Sparte hat so viele Creators, dass auch hier das Weiterswipen der Videos so schnell nicht langweilig werden dürfte. Eine Veränderung der Plattform allerdings dürfte dennoch spürbar sein.

Die Plattform Tiktok lebt wie keine andere von Hypes und Trends, die nicht selten quer über den Erdball rollen. Bestes Beispiel dafür ist der deutsche Song „Barbaras Rhabarberbar“ der beiden Musiker Bodo Wartke und Marti Fischer. Dieser wurde 2024 völlig überraschend zu einem weltweiten Hype – und das, obwohl die wenigstens Tiktok-Nutzerinnen und -Nutzer wohl verstanden haben, was die beiden Deutschen da eigentlich singen.

Die USA spielen beim Ursprung solcher Trends eine enorme Rolle. Kein anderes Land prägt die Popkultur stärker: Immer wieder werden durch Videos aus den Staaten neue Mode- oder Food-Trends befeuert oder längst vergangene Songs wieder in die Charts katapultiert. Mit einem Verbot der Plattform wäre die Verbindung zur anderen Seite des Atlantiks abrupt gekappt.

Das hätte vermutlich auch Auswirkungen auf den kulturellen Austausch, der bei Tiktok insbesondere bei jungen Leuten über Ländergrenzen hinweg zu beobachten ist. Dieser müsste sich zwangsläufig auf andere Plattformen verlagern – unklar ist aber, ob er dort in dieser Form auch möglich sein wird.

Gibt es noch eine letzte Chance?

Die offiziell letzte Hoffnung für Tiktok und seinen Mutterkonzern Bytedance beruht jetzt auf dem Supreme Court, dem Obersten Gericht der USA. Diesen bat Tiktok in einem letzten Versuch, das Verbotsgesetz gegen die Plattform vorübergehend zu blockieren. Dafür reichte das Unternehmen einen Eilantrag auf eine einstweilige Verfügung ein.

Eine andere Variante wäre, dass das Unternehmen seine Plattform in letzter Sekunde doch noch verkauft. Für ein solches Szenario haben sich zahlreiche Milliardäre, Konzerne und Gruppierungen längst in Stellung gebracht. Tiktok selbst macht allerdings derzeit wenig Anstalten, einen Verkauf tatsächlich als Option in Betracht zu ziehen – und fraglich wäre auch, ob das wirklich im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer wäre. Die Übernahme der Plattform Twitter durch Tech-Milliardär Elon Musk etwa hat gezeigt, wie schnell eine Plattform ihren Glanz durch einen Eigentümerwechsel auch verlieren kann.

Seit der US-Wahl gibt es allerdings noch einen weiteren Hoffnungsschimmer am Horizont – zumindest aus Sicht der Plattform: Am Montag traf sich der künftige Präsident Donald Trump mit dem CEO von Tiktok, Shou Zi Chew, auf Trumps Anwesen in Mar-a-Lago. Trump hatte schon während seines Wahlkampfs deutlich gemacht, dass er mit dem geplanten Verbot der Plattform nicht einverstanden ist – obwohl er dieses in seiner ersten Amtszeit noch selbst initiiert hatte.

„Ich habe einen warmen Platz in meinem Herzen für Tiktok“, sagte Trump etwa bei einer Pressekonferenz im Bundesstaat Florida auf die Frage, wie er das drohende Aus der populären Video-App in den USA verhindern wolle. Am Montag äußerte sich Trump dann erneut positiv über die Plattform – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie ihm in seinem eigenen Wahlkampf genützt habe. „Tiktok liegt mir am Herzen, weil ich bei den Jugendlichen mit 34 Punkten Vorsprung gewonnen habe“, so Trump. „Es gibt Leute, die sagen, dass Tiktok etwas damit zu tun hat. Tiktok hatte einen Einfluss.“

Aber: Sollte das Tiktok-Verbot am 19. Januar tatsächlich kommen, wäre es auch für Trump nicht ohne Weiteres möglich, dieses zu revidieren. Für die Aufhebung des Gesetzes wäre eine Verabschiedung in beiden Häusern des Kongresses erforderlich, damit das Gesetz auf Trumps Schreibtisch zur Unterschrift landet, analysiert der Nachrichtensender ABC News.

Anstatt das Gesetz aufzuheben oder auf ein Eingreifen der Gerichte zu setzen, könnte Trump allerdings auch versuchen, das Justizministerium an der Durchsetzung der Maßnahme zu hindern, sagen Experten dem Sender. Das letzte Wort im Fall Tiktok ist also noch nicht gesprochen.

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