Trump ist nur ein Symptom Die Rückkehr der traditionellen Männlichkeit

Der designierte US-Präsident Donald Trump hört während einer Gala des America First Policy Institute in seinem Anwesen Mar-a-Lago zu.
Im globalen Aufwind: Junge Männer werden konservativer, männerdominierte Parteien erringen die Macht, misogyne Influencer erreichen die Jugend. © picture alliance/dpa/AP, Alex Brandon
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„Das hier“, sagt Michael Manousakis, „ist nicht Eurowings, wo du dich schön hinsetzt und noch einen Tomatensaft kriegst. Das hier ist der Eurofighter.“ In grüner Fliegerkluft steht der 57-Jährige neben einem Kampfjet der Bundeswehr und kriegt das Grinsen nicht aus dem Gesicht. „So ein Monster“, sagt er. „18.000 Kilogramm Schub. Das ist abartig.“ Dann wuchtet er sich in den Rücksitz. Er darf heute mitfliegen, als Gast beim Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ in Nordrhein-Westfalen. Der Jet schießt los. Sekunden später donnert er durch die Wolken. „Alter“, schwärmt Manousakis, „ist das irre“.

Manousakis ist im Hauptberuf Chef der Firma Morlock Motors. Er hat einen Deal mit der US-Armee: Alles, was das amerikanische Militär in Europa ausrangiert, landet zur Weiterverwertung auf seinem 22.000-Quadratmeter-Hof in Peterslahr im Westerwald – vom fauchenden Sanitärtruck bis hin zur Badeschlappe. Gut eintausend bemooste Fahrzeuge stehen hier, zahllose Container, Gitterboxen, Motoren. Und der „Micha“ – zwei Meter großer, griechischstämmiger Allwetterfuchs – kennt jeden Schmiernippel persönlich und hat alle Schraubertricks seit Erfindung des Rades drauf.

Autohändler Michael Manousakis steht auf seinem Firmengelände zwischen Geländefahrzeugen, LKWs und Bussen.
„Alter, ist das irre!“: Michael Manousakis, Chef der Firma Morlock Motors und Hauptfigur der erfolgreichsten DMAX-Show aller Zeiten.© picture alliance/dpa, Thomas Frey

Millionen Männer gucken mit glänzenden Augen dabei zu. Denn im Nebenberuf ist Manousakis Fernsehstar: Zehn Jahre lang begleitete der Zwergsender DMAX die Morlock-Truppe in der Doku „Steel Buddies“ bei der Arbeit. Es ist die erfolgreichste DMAX-Serie aller Zeiten. Gerade ist die Show nach zwölf Staffeln zu Kabel 1 gewechselt – und holt auch unter dem neuen Namen „Morlock Motors“ Spitzenquoten (etwa mit der Jetflug-Episode). Der Marktanteil bei den Jüngeren ist mit 8,3 Prozent höher als bei „The Voice“ auf ProSieben. Eine Erfolgsgeschichte.

So stellt sich Greenpeace die Hölle vor

Auf Manousakis‘ chaotischem Firmengelände gibt’s mitunter Fordfindungsschwierigkeiten, aber der Charme der 35-köpfigen Truppe ist unwiderstehlich. Es ist eine Welt, in der dreckverkrustete Militärfahrzeuge 30 Liter Diesel auf 100 Kilometern verbrauchen und Schrauber in ölverschmierten Overalls Jeeps, Hummer und andere XXL-US-Schlachtschiffe zusammenschweißen. So stellt sich Greenpeace die Hölle vor.

Harte Männer. Kampfjets. Hubschrauber. Pötternde Dieselmotoren. Frotzeleien beim Kühlerausbau. Männerfernsehen. Warum funktioniert das? Weil es Kerle dabei zeigt, wie viele von ihnen nun mal sind. Nicht, wie sie sein wollen oder sollen. Weiter entfernt kann man kaum sein von urbanen Genderdebatten, Hafermilch und Lastenfahrrädern.

Peterslahr ist ein fröhlicher Männer-Fluchtort

Peterslahr hat dabei nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Es ist kein Tatort. Es ist ein fröhlicher Fluchtort. Eine benzinschillernde Oase, die sich dem Zeitgeist beherzt verweigert. Die Show – und ihre diversen Geschwister bei RTL Nitro, ProSiebenMAXX oder Discovery – trifft einen Nerv. DMAX-Helden sind keine sensiblen Hedonisten. Es sind wettergegerbte Goldsucher in Alaska. Verschmorte Hot-Rod-Schrauber in Minnesota. Opalschürfer in Afrika. Es ist die harmlos-spielerische Seite einer Hypermaskulinität, die sich global im Aufwind befindet.

Über Jahre verspürte der „klassisch“ gestrickte Kerl, der die Zeitläufte nach alter Väter Sitte bewertet, heftigen Gegenwind. Progressivere Soziotope erklärten ihn zum soziokulturellen Auslaufmodell. Er ahnte, dass er nicht mehr der Nullmeridian der Geschlechter ist. Auch die männerdominierte Industriearbeit verlor im Westen massiv an Bedeutung. Umso mehr wird im Männerfernsehen nun geschuftet, gefräst, geschraubt, geangelt, geschweißt und politisch unkorrekter Krempel verkauft.

Gesellschaftlicher Fortschritt folgt keinem pfeilgeraden Strahl in Richtung Zukunft. Er gleicht einem suchenden, tastenden, mäandernden Netz aus parallelen Prozessen – Sackgassen und Gegentrends inklusive. Soziologen sprechen aktuell von einem „Male Backlash“: Der Traditionskerl wittert die Chance, sich in (vermeintlich) alter Herrlichkeit des Mannseins zu erfreuen. „Wir sehen überall eine Rückkehr der traditionellen Männlichkeit“, sagte Männerforscher Christoph May dem österreichischen „Kurier“. Die Folge: Junge Männer werden konservativer, männerdominierte Parteien erringen die Macht, misogyne Influencer erreichen die Jugend. Das Pendel schlägt zurück.

Trump bediente die Angst der jungen Männer

Die Galionsfigur dieses bei Weitem nicht nur harmlosen Retro-Trends hat sich gerade zum US-Präsidenten wählen lassen. Die loyalsten Anhänger von Donald Trump sind junge, weiße Männer mit unterdurchschnittlichem Bildungsstand. Es ist genau die Klientel, die sich millionenfach um ihr gefühltes Geburtsrecht auf gesellschaftliche Dominanz ohne individuelle Verdienste betrogen fühlt. Und die Angst hat. Nicht nur um die alten Privilegien. Sondern um die Fähigkeit, die moderne Welt noch zu entschlüsseln.

Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, und der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung bei der Butler Farm Show teil. (Archivbild)
Unmut in Millionen Männern: Donald Trump mit Unternehmer Elon Musk, mit dem er eine Art Männerbund einging. (Archivbild)© picture alliance/dpa/AP, Alex Brandon

Gewiss wählten auch Frauen Trump. Vor allem aber in Millionen Männern muss ein Unmut gegärt haben, dessen Linderung sich die Leidenden von Trump erhoffen. 55 Prozent der Männer stimmten für Trump, aber nur 53 Prozent der Frauen stimmten für Kamala Harris. Bei dieser Wahl, urteilten internationale Medien, ging es im Kern „um eine Gegenreaktion auf den Feminismus“ („Prospect“), um einen „kulturellen Gegenschlag“ („Bloomberg“), um „die Männer und ihre Wut“ („Guardian“), um eine „Boys-vs.-Girls-Entscheidung“ („Politico“) also. Nicht umsonst betrat Trump die Bühne im Wahlkampf gern zum James-Brown-Song „It’s a Man’s World“.

„Die Republikaner sagten den Männern im Grunde: ‚Wir sehen euch. Wir mögen euch‘“, schrieb Richard Reeves, Gründer des Washingtoner Thinktanks American Institute for Boys and Men. „Sie sagten: ,Wir mögen die Dinge, die ihr mögt. Wählt uns.‘“ Die Demokraten hingegen hätten das Mannsein vor allem problematisiert. Der brodelnde Groll gegen den Feminismus erweist sich als wirksamer Treibstoff für den Siegeszug autoritärer Populisten.

Jenseits von „toxischer Männlichkeit“ und „Narrativen“

Auch in Deutschland war zuletzt vor allem von problematischen Männeridentitäten die Rede, von „Talahons“ zum Beispiel (migrantischen Halbstarken mit Milchbart-Imponiergehabe), von autoritätshörigen Grummelbürgern oder von „Incels“ (unfreiwillig zölibatären Frauenhassern). Krisengebiet Mann. Das alles hat Auswirkungen auf den männlichen Mainstream. Es geht dabei nicht bloß um maskuline Klimawandel-Ignoranten mit „Fuck you Greta“-Aufklebern auf ihren monströsen RAM-Pickups. Es geht auch um den seiner Rolle nicht mehr sicheren, ratlosen Normalkerl mit zwei bis drei Jobs, der sich von sozialen Medien fernhält und weder Zeit noch Energie hat für akademische Debatten über Machtstrukturen, „toxische Männlichkeit“ und irgendwelche „Narrative“.

Trump sei, schrieb die „New York Times“, „ein wandelnder Avatar einer Art von Männlichkeit, deren Anziehungskraft weit über diese Wahl hinausgeht“. Die sich bedroht fühlende Spezies tut, was die Evolution sie gelehrt hat: Sie rückt zusammen. Wagenburg bilden, Gewehre laden. Der Spätherbst 2024, so scheint es, wird zum gefühlten Frühling von Männern, die sich noch einmal – vielleicht ein letztes Mal – heftig im Aufwind fühlen.

Auch bei der Bundestagswahl im Februar macht sich mit Friedrich Merz ein Mann Hoffnungen auf das Kanzleramt, der politisch aus dem 20. Jahrhundert stammt. Die nimmermüde Industrie reagiert auf die neue, alte Maskulinität mit immer strenger gegenderten Warenwelten, mit Rasierern mit Retrocharme, öliger Bartpflege, riesigen Grillzubehör-Welten und Hunderten Onlineshops voller „Männerspielzeug“. Barbershops und Burgerläden boomen.

Männer rücken politisch nach rechts

Der britische Journalist Jack Urwin beschreibt in seinem Buch „Boys Don‘t Cry“, dass es sehr vielen Männern nicht gelinge, das tief sitzende archaische Männerbild vom omnipotenten Ernährer und Entscheider mit der modernen Gesellschaft in Einklang zu bringen. So werden sie gleichermaßen zu Hütern und Opfern ihrer alten Ideale. Die Autorin Ines Geipel schrieb, dass auch die AfD für manchen Kerl die „letzte Möglichkeit“ sei, die „Lebensdepression loszuwerden“, denn es gebe „wieder einen Auftrag, in einem gärenden Wir“. Während „trad wifes“ bei Instagram also das Frauenbild der Sechzigerjahre zelebrieren, rücken die jungen Männer in zahlreichen Ländern politisch nach rechts. Und fühlen sich nun, nach Trumps Sieg, im Recht.

Das ist der ernste, politische Kern des Problems. Die unbekümmert-spaßige Seite bedient die Entertainmentwelt schon seit Jahren nicht ohne Ironie. DMAX etwa inszeniert sich als „Deine Insel aus Stahl in einer Welt aus Plastik“. Die Fernsehbranche guffelte, als der Sender sich anschickte, Fernsehen für „die tollsten Menschen der Welt zu machen: Männer“ (Eigenwerbung). Wie viele mögen das wohl sein? Zwei? Es war die Zeit, als metrosexuelle Männer mit Kajalstrich fliederfarbene Kniestrümpfe zum Rock über die Laufstege trugen und urbane Hipster begannen, Steinpilzrisotto zu kochen. Wer brauchte da harte Kerle in unwegsamem Gelände?

Unterstützer reagieren auf erste Ergebnisse bei einer Wahlkampfparty für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Präsidenten Donald Trump.
Männer fühlen sich im Aufwind: Ein Anhänger von Donald Trump freut sich in Miami über die Nachricht, dass Trump die Wahl gewonnen hat.© picture alliance/dpa/AP, Evan Vucci

Doch dann passierte etwas Seltsames: DMAX hatte Erfolg. „Männerfernsehen zu machen ist einfach“, befand Gründungsgeschäftsführerin Katja Hofem-Best damals. „Fällt was am Auto ab? Fliegt was in die Luft? Das funktioniert immer.“ Dieser Mix aus Klischees und Anachronismen wurde zum Rückversicherungskanal für klassische Männlichkeitsattribute. Und Morlock Motors ist ihr erfolgreichster Spielplatz im deutschen Fernsehen. In Wahrheit träumt eben auch mancher Reihenmittelhausbesitzer im fliederfarbenen Mohairpullunder heimlich von der Route 66.

Dem Trump-Kosmos fehlt jede Selbstironie

Und plötzlich sind Eigenschaften, die in der postheroischen Gesellschaft an Bedeutung verloren zu haben schienen, unter vielen Männern wieder gefragt: Härte, Kontrolle, Stoizismus. Die drei großen Tabus der Männerwelt haben Bestand: Gefühle, Gemüse und Geld. Im Unterschied zur AfD-Fangemeinde oder zum Trump-Kosmos freilich durchzieht das DMAX-Männerbild eine leise Selbstironie, ein feiner Humor, der die polternde Machohaftigkeit der Formate erst aushaltbar macht. Der erstarkte Trump-Machoismus ist dagegen kein Spiel. Er ist real.

RND

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