Mehr als Zehntausend Mitarbeiter bei VW im Warnstreik Produktion liegt „temporär auf Eis“

Beschäftigte von Volkswagen bekunden vor dem Werk in Zwickau zum Ende der Friedenspflicht ihre Streikbereitschaft. Die sogenannte Friedenspflicht, in der keine Streiks erlaubt sind, läuft bei Volkswagen am Samstag um Mitternacht aus. Ab dem 1. Dezember sind in dem laufenden Tarifstreit dann auch Arbeitsniederlegungen möglich. Die IG Metall hat bereits angekündigt, ab Anfang Dezember zu Warnstreiks aufzurufen, bisher aber keine konkreten Termine genannt. (zu dpa: «VW vor flächendeckenden Warnstre
Zum Ende der Friedenspflicht bekunden Beschäftigte von Volkswagen ihre Streikbereitschaft. © Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa
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Update 2.12., 12.30 Uhr: An fast allen deutschen Standorten legten am Vormittag mehr als Zehntausend Mitarbeiter zeitweise die Arbeit nieder.

Tausende zogen mit einem Demonstrationszug durch das Stammwerk und versammelten sich zu einer Kundgebung direkt vor dem Vorstandshochhaus. „Streikbereit! Bundesweit!“, skandierten sie in Sprechchören. In Zwickau und Emden versammelten sich die Mitarbeiter zu Kundegebungen vor dem Werkstor, in Braunschweig zogen mehr als Tausend Beschäftigte mit einem Demonstrationszug durch die Stadt.

IG Metall droht mit weiterer Eskalation

Der heutige Ausstand an fast allen Standorten schmerze Volkswagen, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in Wolfsburg. „Aber das ist nur eine Warnung!“ Sollte Volkswagen weiter auf seinen Maximalforderungen bestehen, drohe eine weitere Zuspitzung. „Wer die Belegschaft ignoriert, spielt mit dem Feuer – und wir wissen, wie man Funken in Flammen verwandelt!“

Die nächste Verhandlungsrunde in einer Woche werde hier eine Weichenstellung bringen, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Wenn es sein müsse, „werden wir einen Arbeitskampf durchziehen, der zu Volkswagen passt“.

In Zwickau erklärte der dortige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze: „Wir werden erbittert kämpfen um jeden Arbeitsplatz.“ Mit seiner Sparankündigung vor drei Monaten habe der Vorstand den Laden Volkswagen angezündet“. Jetzt „brennt dieser Laden lichterloh“.

Zu möglichen Ausfällen in der Produktion machte Volkswagen zunächst keine Angaben. Man wolle die Auswirkungen so gering wie möglich halten, sagte ein Sprecher. Deswegen habe das Unternehmen gezielt Maßnahmen ergriffen, die eine Notversorgung sicherstellten.

Warnstreiks bei VW an neun Standorten

Die IG Metall ruft für heute zu Warnstreiks an neun der zehn deutschen Volkswagen-Standorte auf. Zuerst legten am Morgen im Zwickauer Werk die ersten Mitarbeiter die Arbeit nieder und machten sich auf den Weg zu einer geplanten Kundgebung, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Es folgten weitere Standorte, darunter das Stammwerk in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Emden und Chemnitz. Daneben sind auch die Werke in Emden, Kassel-Baunatal und Salzgitter sowie die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden.

In allen betroffenen Fabriken werde die Produktion „temporär auf Eis liegen“, kündigte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger an. Beginnen soll der Ausstand an den meisten Standorten zeitgleich mit Wolfsburg um 10.00 Uhr, Der Ausstand in Dresden und Kassel-Baunatal soll um 12.00 Uhr und 12.30 Uhr folgen.

Der Warnstreik werde jeweils rund zwei Stunden dauern und danach in jeder Schicht wiederholt werden, sagte ein Sprecher. Dazwischen werde normal produziert.

IG Metall: „Wenn nötig, einer der härtesten Konflikte“

Erst am Wochenende war bei Europas größtem Autobauer die Friedenspflicht ausgelaufen, in der Arbeitskämpfe nicht erlaubt waren. „Nun folgen Warnstreiks, die das Unternehmen nicht übersehen kann“, sagte Gröger. „Wenn nötig, wird das einer der härtesten Konflikte, den Volkswagen je gesehen hat.“

In Wolfsburg ist am Vormittag eine Kundgebung direkt am Vorstandshochhaus geplant, auf der Verhandlungsführer Gröger und Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprechen wollen. Weitere Kundgebungen soll es unter anderem in Zwickau, Emden, Chemnitz, Dresden und Salzgitter geben, in Hannover und Braunschweig mit vorherigen Demonstrationszügen.

VW will Löhne kürzen

In dem Konflikt geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde.

VW lehnt bisher jede Erhöhung ab und fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns stattdessen zehn Prozent Lohnkürzung. Auch Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Am 9. Dezember treffen sich beide Seiten zur nächsten Tarifrunde.

„Am Verhandlungstisch war Volkswagen nicht zu einer tragfähigen Lösung des Tarifkonflikts bereit“, sagte der für Berlin, Brandenburg und Sachsen zuständige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze. „Daher müssen Warnstreiks den Druck auf das Management erhöhen.“

Ausfall von mehr als tausend Fahrzeugen

Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen dürfte der zweistündige Warnstreik zu einem Ausfall von mehr als tausend Fahrzeugen führen, die nicht gebaut werden könnten. Volkswagen hat nach eigenen Angaben Vorkehrungen getroffen, um die Auswirkungen der befristeten Arbeitsniederlegungen gering zu halten. Das Unternehmen habe gezielt Maßnahmen ergriffen, die eine Notversorgung sicherstellten, hieß es.

Keine Warnstreiks gibt es heute in Osnabrück. Das um seine Zukunft bangende VW-Werk fällt als einziger deutscher VW-Standort nicht unter den Haustarif, um den derzeit gerungen wird. Dort war es bereits im Tarifkonflikt für die Metall- und Elektroindustrie zu Warnstreiks gekommen.

Mehr als 50.000 bei Warnstreikwelle 2018

Flächendeckende Warnstreiks an allen großen Werken in Westdeutschland gab es zuletzt 2018. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich damals mehr als 50.000 Beschäftigte in Wolfsburg, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig und Salzgitter. Für die Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden wurde erst 2021 eine stufenweise Angleichung an den Haustarif bis 2027 vereinbart.

dpa

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