
Klar, ein Cheeseburger hat eine flache Brötchenhälfte (unten) und eine gewölbte mit Sesamstreuseln (oben). Muss aber nicht. Auch zwei gleiche Hälften können zusammengehören. Und damit guten Appetit und fröhliche Gleichberechtigung an alle Schwulen und Lesben!
So oder ähnlich sehen die Werbekampagnen aus, mit denen die großen US‑Fastfoodketten wie McDonald’s und Burger King gleiche Rechte für Homosexuelle feierten oder forderten, zum Beispiel zum Gay Pride Month. Jahr für Jahr im Juni hisst dann jeder US‑Konzern die Flagge für Toleranz und gegen Diskriminierung – von Coca Cola über die Supermarktkette Walmart und den Entertainmentriesen Disney bis zu Großbanken wie JP Morgan.
Oder vielmehr: „hisste die Flagge“ – Vergangenheitsform. Denn spätestens seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November braucht es keinen Trendforscher mehr, um zu erkennen: Der Wind hat sich gedreht.
Milliarden für „Diversity, Equity and Inclusion“
Eben noch schmückten sich die großen US‑Firmen mit Vielfalt und Toleranz. Mehr noch: Wer als zeitgemäßer Konzern etwas auf sich hielt, bekannte sich zu seiner Verantwortung. Gegen Rassismus und Transfeindlichkeit, für Klima und Umwelt, ja, sogar für „die Rettung der Demokratie“. Nichts Geringeres hatte der meistgenutzte Anbieter für Onlineplattformen der Welt, der Facebook-Mutterkonzern Meta, als Ziel der „Allianz gegen Desinformation“ ausgegeben, die er noch Anfang 2024 mit anderen Techfirmen geschmiedet hatte.
Doch auch Finanzbranche, Einzelhandel und eben Burger-Business: Die Konzerne steckten Milliarden Dollar nicht nur in Werbung und Imagepflege, die sie nachhaltig und divers wirken lassen sollten. Sondern auch in Personalgewinnung, Schulungen und ganze Programme mit Schulungen, Einstellungskriterien und Abteilungen für „Diversity, Equity and Inclusion“, Vielfalt, Gleichheit und Inklusion, kurz: DEI.
Doch seit Donald Trump mit seinem Wahlkampf gegen diese Kultur der Toleranz und Achtsamkeit, der Rassen- und Geschlechtervielfalt seinen Sieg einfuhr, hat auch – so scheint es – eine wachsende Zahl an US‑Unternehmen den Verdacht, dass die Amerikaner den „woken“ Zeitgeist nicht mehr kaufen – im wahrsten Sinn. Und weil der Wind sich dreht, richtet inzwischen ein Konzern nach dem anderen sein Fähnchen danach aus.
Schon steht die Frage steht im Raum: Endet die Ära der Konzern-Verantwortung? In den USA, weltweit gar – also auch in Deutschland?
Weniger Platz für die Transgender-Figur
Seit dem Herbst vergeht in den USA jedenfalls kaum eine Woche ohne entsprechende Unternehmensmeldungen. McDonald’s schafft nicht nur sein DEI-Programm für Vielfalt und Inklusion ab, sondern auch ein Bewertungssystem für interne Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Geschlechter, Rassen und von Behinderten. Dasselbe hatten zuvor der Autokonzern Ford und die Baumarktkette Lowe’s vermeldet. Später folgten, unter hämischem Applaus der Konservativen, Walmart, Boeing und viele andere.
Disney will in seinen Filmen und Serien nicht mehr verstärkt auf Vielfalt und Pädagogik achten und räumt dafür in seinem anstehenden Pixar-Film „Win or Lose“ einer vorgesehenen Transgender-Figur weniger Raum ein. Walmart weicht seine Regeln für die Inklusion Homosexueller und trans Menschen auf und stoppt Spenden an entsprechende Hilfsorganisationen. Und Meta fühlt sich nicht mehr zum Retter der Demokratie berufen, sondern lockert die Regeln gegen Hassrede und löst in den USA seine Faktencheck-Teams auf.
Noch konkreter wird die Abkehr vom alten Zeitgeist am Kapitalmarkt: Nach etlichen anderen US‑Großbanken verabschiedeten sich jüngst auch Amerikas größtes Geldhaus, JP Morgan, sowie der Vermögensverwalter Blackrock von der Klimaallianz der Banken: Dank der Net-Zero Banking Alliance (NZBA), die die Vereinten Nationen gegründet hatten, sollte Geld künftig nur noch in klimafreundliche Projekte fließen. Vor allem republikanische Gouverneure in amerikanischen Kohlestaaten waren dagegen vorgegangen.
Das allerdings wirft Fragen auf: Hatten Ökonomen, Beratungsfirmen und Stiftungen nicht jahrelang gepredigt, dass Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Vielfalt weder Selbstzweck noch Altruismus seien – sondern ein Erfolgsrezept?
Noch konkreter wird die Abkehr vom alten Zeitgeist am Kapitalmarkt: Nach etlichen anderen US‑Großbanken verabschiedeten sich jüngst auch Amerikas größtes Geldhaus, JP Morgan, sowie der Vermögensverwalter Blackrock von der Klimaallianz der Banken: Dank der Net-Zero Banking Alliance (NZBA), die die Vereinten Nationen gegründet hatten, sollte Geld künftig nur noch in klimafreundliche Projekte fließen. Vor allem republikanische Gouverneure in amerikanischen Kohlestaaten waren dagegen vorgegangen.
Das allerdings wirft Fragen auf: Hatten Ökonomen, Beratungsfirmen und Stiftungen nicht jahrelang gepredigt, dass Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Vielfalt weder Selbstzweck noch Altruismus seien – sondern ein Erfolgsrezept?Sind „woke“ Firmen erfolgreicher?
Die Unternehmensberater von McKinsey wiesen noch im Herbst per Studie nach, dass Firmen mit überdurchschnittlicher ethnischer Vielfalt 35 Prozent höhere Gewinne einfahren als der US‑Durchschnitt. Sie seien auch innovativer und effektiver.
„Sich als Unternehmen klare Nachhaltigkeits- oder Diversity- und Inklusionsziele zu setzen und diese auch aktiv zu kommunizieren, ist nicht nur eine Frage von gesellschaftlicher Verantwortung“, sagt deshalb Philipp Kolo, „sondern auch von strategischer Weitsicht.“ Kolo ist Experte für die Arbeitswelt und Partner bei der Boston Consulting Group, die den Firmen nach wie vor zu solchen Zielen rät. Verbraucher, Mitarbeitende, Investoren: Heute erwarte man von Unternehmen, „dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen“ – wer sich so von der Konkurrenz absetze, gewinne Kunden und Mitarbeiter.
Warum rollen trotzdem so viele US‑Firmen ihre Regenbogenfahnen wieder ein? Wann schwappt der Trend nach Deutschland – und sei es, weil die amerikanischen Mutterkonzerne auch ihren deutschen Töchtern neue Regeln vorgeben?
Auf Anfrage heißt es von den Betroffenen derzeit: Keine Änderung in Sicht. McDonald’s wirbt in Deutschland unverändert mit seinem Programm für Vielfalt im Unternehmen. „Wir heißen alle willkommen und werden das auch weiterhin tun“, erklärt eine Sprecherin. „Das ist der Kern unserer Marke und Teil unserer Geschäftsstrategie.“
Die drei deutschen Geldhäuser in der Klimaallianz – Deutsche Bank, Commerzbank und Pro Credit Holding – erklären, derzeit gebe es für sie keinen Grund, aus der NZBA auszusteigen. Man halte am Ziel fest, klimaneutral zu werden.
Ende mit „gebrochenem Herzen“
Selbst die deutschen Nachrichtenagenturen dpa und AFP sowie das Medienhaus Correctiv, die hierzulande von Facebook bezahlt werden, um dort – auch in den USA gepostete – Falschmeldungen zu korrigieren, erwarten keine Kündigung. Bei Correctiv heißt es, man betrachte die Meta-Entscheidungen mit Sorge, es weise aber nichts auf ähnliche Pläne für Deutschland hin. Die dpa habe laufende Verträge, sagt Sprecher Jens Petersen dem RND. „Natürlich bereiten wir uns auf verschiedene mögliche Szenarien vor.“
Welche Szenarien das sein könnten, ahnt man beim Blick auf Beyond Gender Agenda. Die viel gerühmte Initiative wurde von Unternehmerin und Werberin Vicky Wagner gegründet, um mit bis zu 13 Mitarbeitern für Diversität in deutschen Firmen zu lobbyieren. Vorige Woche nun verkündete sie mit „gebrochenem Herzen“ das Aus. Es gebe „auch in der Wirtschaft eine zunehmend kritische Haltung gegenüber Wokeness und Diversität“, schrieb Wagner.
Doch so einfach ist es nicht, findet Wiebke Ankersen. Sie ist Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung, die sich von Berlin und Stockholm aus seit fast 15 Jahren für mehr Frauen und Diversität in Führungspositionen einsetzt.
Erstens gebe es noch nicht genug Belege dafür, dass der Sinneswandel einzelner US‑Konzerne überhaupt ein flächendeckender Trend sei, sagt sie. Zweitens könne man Deutschland und die USA kaum vergleichen: „Die Situation in den USA ist stark von der politischen Lage und der Haltung der Trump-Regierung geprägt.“ Schon 2023 hat die konservative Mehrheit am Supreme Court den US‑Unis die Förderung von Minderheiten untersagt. „Damit haben einige Unternehmen ihren Rückzug aus ihren Diversity-Programmen begründet. Jetzt wenden sich weitere Firmen davon ab, um bei der Trump-Regierung nicht in Ungnade zu fallen.“
Druck von Vermögensverwaltern
Tatsächlich waren zuletzt nicht nur die Techfirmen zwischen die Fronten der Parteien geraten: McDonald’s musste erst als Beleg für die Bodenhaftung von Kamala Harris herhalten, die dort als Studentin gejobbt hatte – bis auch Donald Trump sich als volksnaher Burger-Brater beweisen wollte, indem er mit einem Medientross für ein Blitzpraktikum anrückte.
Nur: Dass die Fastfoodkette von ihren DEI-Zielen abrückte, hatte damit nichts zu tun. Vielmehr berief sich auch McDonald’s auf das Gerichtsurteil gegen die Bevorzugung von Minderheiten.
Noch pikanter ist die Frage der Finanzen: So wie die Klimabanken verspüren auch „woke“ Unternehmen Gegenwind an der Börse. Schon investieren erste Vermögensverwalter nur noch in unpolitische Unternehmen. Als deshalb die Kaffeekette Starbucks leer ausgehen sollte, erklärte sie ihre Diversity-Personalpolitik prompt für beendet.
In Europa ist das schon wegen der rechtlichen Vorgaben der EU anders, etwa für Pflichten zum Nachhaltigkeitsreporting oder zur Moderation von Onlineplattformen, betont BCG-Unternehmensberater Kolo: „Der Einsatz für Nachhaltigkeit und DEI von Unternehmen hat einen Punkt erreicht, an dem dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann“, sagt er. Das ändere auch eine Gegenbewegung in den USA nicht.
Deutschland hinkt hinterher
Vor allem aber müsse man sich klarmachen, so Allbright-Chefin Ankersen, „dass die USA bei Chancengleichheit und Vielfalt deutlich weiter sind als Deutschland“: „Dort sind die Führungsteams von Unternehmen längst viel diverser besetzt.“ In Deutschland sei dieses Bewusstsein gerade erst entstanden. „Von dem Punkt, an dem manche US‑Firmen nun ihren Kurs ändern, ist Deutschland noch weit entfernt.“
Der zentrale Unterschied zeigt sich allerdings schon auf der deutschen McDonald’s-Website: Wird da für „Vielfalt“ geworben, geht es nicht um bunte Pommes oder gleiche Brötchenhälften. Sondern um Azubis und Personal. Wenn die Burgerkette ihre Sprachkurse „für neue Mitarbeiter:innen“ bewirbt, soll das nicht dem Image helfen, sondern dem „Beherrschen der Abläufe im Restaurant-Alltag“.
„Der Fach- und Führungskräftemangel erlaubt es den Unternehmen hier gar nicht, das Potenzial von Frauen oder Deutschen mit Migrationsgeschichte brachliegen zu lassen“, sagt Allbright-Chefin Ankersen. Die Firmen konkurrieren um die besten Leute. Selbst wenn sie es wollten: Allein auf mittelalte westdeutsche Männer zu setzen, können sie sich also gar nicht leisten.