
Martin Mehrens, Ratsmitglied aus Bad Münstereifel, sitzt am Dienstagmittag im Rollstuhl an der Feuerwache in Waltrop. Sein Bein hat er sich im August beim Einsatz am Versorgungszentrum vor Ort schwer verletzt, die Achillessehne war gerissen. Jetzt hat ihn sein „Schatzmeister“ Bernd Metzen in die Hebewerkstadt chauffiert, damit er hier berichten – und die erste Summe des Hilfsfonds der Waltroper Feuerwehr an die Bedürftigen in Kirspenich und Arloff ausgezahlt werden kann. Den haben zahlreiche Waltroper Bürger, Vereine und Unternehmen mittlerweile mit weit über 80.000 Euro gefüllt.
Großes Lob an die Waltroper
„Waltrop ist ein Musterbeispiel für unkonventionelle Hilfe“, betont er. „Wir sind sehr dankbar dafür, dass hier Menschen Aktionen auf die Beine gestellt oder in die Tasche gegriffen haben, um wildfremden Mitmenschen unter die Arme zu greifen.“ Zuvor hatten sich der Waltroper Feuerwehr-Chef Detlef Tzschackert und sein Sprecher Jochen Möcklinghoff mit den Gästen geeinigt, wie das Spendengeld aufgeteilt werden soll.

52.500 Euro werden jetzt freigegeben
Vor wenigen Wochen hatte der Dorfrat – dazu gehören Vertreter der sieben Vereine, der beiden Kitas, der Grundschule und der beiden großen Kirchengemeinden – getagt, um die Bedürftigkeit in dem Doppel-Dorf mit 2500 Einwohnern abzufragen. Bis zum 31. August konnten sich Familien melden, die laut Flutkarte besonders betroffen waren und keine Elementarversicherung besitzen. „Über die Rückläufe haben wir dann gemeinsam 175 Empfänger ausgewählt“, erklärt Mehrens, an die nun je 600 Euro ausgezahlt werden. Davon kommen 300 Euro aus Spendengeldern, die die Dorfkasse erreicht haben, und 300 Euro aus Waltrop. „Heute werden wir also die ersten 52.500 Euro freigeben“, stellt Jochen Möcklinghoff fest.
Der Rest fließt für einen Spielplatz
Mit dem restlichen Geld aus Waltrop soll im kommenden Frühjahr ein Zeichen für alle Bürger der beiden Patendörfer gesetzt werden: „Im Zentrum des Dorfes gibt es einen Kinderspielplatz, auf dem wir ein besonders Spielgerät samt Bänken aufbauen wollen. Hier bringen wir dann eine Plakette an, mit der an die außergewöhnliche Hilfsaktion der Waltroper Bürger erinnert wird“, verspricht Mehrens. Kümmerer ist hier übrigens der in den Dörfern selbst umtriebige Fanclub des 1. FC Köln.
Pegelstand der Erft kletterte von 22 cm auf 2,47 Meter
Und natürlich schilderte Mehrens, der als CDU-Ratsmitglied ungewollt zum Flut-Koordinator wurde, die Krisenstunden des 14. Juli: Wie in einem Trichter liefen damals die Regenfluten in der Erft zusammen, die normalerweise einen Pegelstand von 22 Zentimetern aufweist. Um 22.15 Uhr zeigte der Pegel in Kirspenich 2,47 Meter an. „Es war unvorstellbar“, sagt Mehrens. „Am nächsten Morgen sahen wir apokalyptische Bilder – die Straßen waren weggerissen, viele Häuser standen an der Abbruchkante, Autos, Brücken und Bahnstrecke waren fortgespült, die Versorgungsinfrastruktur zerstört.“ Die Zahl der Todesopfer war etwa im Ahrtal erheblich größer, weiß er: „Bei uns ist eine Frau ums Leben gekommen, ein Toter ist angespült worden – und alle Vermissten waren nach fünf Tagen wieder da.“
Rund 300 Häuser wurden geflutet
Schlimmer ist die Zerstörung: Rund 300 Häuser wurden in Mitleidenschaft gezogen, darunter die Schule, die Kitas und auch eine Chemiefabrik. Und dann die Müllmengen und der ganze Schlamm. „Wir haben unsere alte Kreisdeponie wieder öffnen dürfen, um über eine Einbahnstraße mit riesigen Kippern allen durchnässten Hausrat wegzuschaffen. Und wir waren schneller als die Ratten und haben Seuchen verhindern können“, betont er. Besonders stolz ist er auf das Versorgungszentrum, das den Opfern schnell Lebensmittel, Kleidung und auch ärztliche Hilfe bieten konnte.
Der Aufbau ist im Gange – Hoffen auf die Kirmes
Mittlerweile macht der Aufbau Fortschritte: Die Kinder gehen wieder zur Schule, das heißt: sie werden in der oberen Etage unterrichtet, während das nasse Untergeschoss in den Herbstferien renoviert werden soll. Erste Brücken stehen wieder, die Erftmauern sollen bald hergestellt, Versorgungsleitungen erneuert werden. Schließlich kommt bald der Winter. Auch die Landeshilfen sind unbürokratisch ausgezahlt worden „Aber 15 Häuser“, so Mehrens, „bleiben unbewohnbar, unsere Hubertusschänke macht nie mehr auf – und die Wunden in den Seelen bleiben.“ Immerhin: Die Dorfgemeinschaft lebt intensiver als zuvor, sagt er. „Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr endlich wieder Kirmes feiern können.“