
Seit 22 Jahren gibt es das Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) in Waltrop. Kinder und Jugendliche, die ihre politische Sozialisation dort mitgemacht haben, kamen und gingen, einige sind der Politik treu geblieben und heute in verantwortlichen Positionen. Eine aber ist fast die komplette Zeit in Waltrop dabei gewesen: die Koordinatorin des KiJuPa, Britt Wagner (45). 20 Jahre lang unterstützt sie das erfolgreiche Gremium nun schon bei seiner Arbeit – und die tiefe Zuneigung zwischen ihr und den „Kids“, sie beruht seit jeher auf Gegenseitigkeit.
Als sie 2005 heiratete, war das ein Anlass für die damaligen KiJuPa-Delegierten, ihre Koordinatorin mit ihrem Besuch zu überraschen. Und als sie jetzt ganz kurzfristig erfuhren, dass sie im November 20 Jahre diese Aufgabe wahrnimmt, sollte das natürlich auch nicht ungewürdigt verstreichen. Es entstand ein Video mit kleinen gereimten Versen auf sie, gesprochen von ehemaligen und heutigen KiJuPa-Leuten und Menschen, die auf andere Art mit dem Gremium in Verbindung stehen. Als das bei der Vollversammlung des KiJuPa neulich gezeigt wurde, war sie sprachlos. Eine selbst gebackene Torte gab‘s obendrein. „In welchem anderen Beruf erfährt man so viel Wertschätzung?“, fragt Britt Wagner gerührt.
Klein-Marcel machte keine Probleme
Sie kam schon früh mit der Kinder- und Jugendarbeit in Waltrop in Kontakt, fuhr bei Ferienfreizeiten als Betreuerin mit, gab Bauhauskurse. Im November 2003 wurde sie KiJuPa-Koordinatorin, nachdem in den Anfangsjahren Dorothee Nitzler das Gremium koordiniert hatte. Die Dimension des Politischen war damals neu für die junge Frau, doch sie hatte ein Netzwerk und baute es weiter aus. Den von ihr initiierten Fachaustausch mit Kollegen aus den Nachbarstädten gibt es bis heute.
Zuvor hatte sie bei den Ferienfreizeiten unter anderem einen gewissen Marcel Mittelbach betreut. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie war er denn damals so, der heutige Waltroper Bürgermeister? „Ach, pflegeleicht“, sagt Britt Wagner und lacht. Er habe damals schon seine sportliche Ader ausleben können, denn bei der Bahn-Anreise zum Zielort der Ferienfreizeit habe man mehrfach umsteigen und das ganze Material immer mitschleppen müssen. Und wie heute war das Geld der Stadt auch damals schon knapp: Es reichte nur für einen Weg mit dem Bus zum Schwimmbad, den anderen Weg musste man laufen.
Aber das nur nebenbei.
An Termine wird regelmäßig erinnert
Längst nennt man in Waltrop die Worte „KiJuPa“ und „Britt Wagner“ gewöhnlich in einem Atemzug. Wie sieht sie ihre Rolle? Sie erinnert ihre Schützlinge immer wieder an ihre KiJuPa-Termine, natürlich wissend, dass Kinder und Jugendliche heute noch jede Menge andere Aktivitäten im Terminkalender haben. Aber das KiJuPa, es ist bekannt für seine Verlässlichkeit und Kontinuität. In den politischen Ausschüssen und Gremien sitzt praktisch immer jemand aus dem KiJuPa, und das nicht nur pro forma.
Gelegentlich muss Britt Wagner auch mal damit rechnen, dass die Sache mit den selbstbewussten jungen Leuten etwas aus dem Ruder läuft. Sie erinnert sich daran, dass ein KiJuPa-Vertreter vor Jahren meinte, im Fachausschuss für Schule, Kultur und Sport den beschwichtigenden Aussagen der Ausschussmitglieder zum Thema „Drogen an Waltroper Schulen“ seine Sicht der Realität entgegenhalten zu müssen. „Er hat sinngemäß gesagt, an den Schulen werde gekifft ohne Ende, und das stand dann am nächsten Tag auch so in der Zeitung.“
Nicht enttäuscht sein, wenn Bärbel Bas nicht kommt!
Britt Wagner ist froh und dankbar, dass ihre „Kids“ mit so viel Begeisterung bei der Sache sind. Wenn dieser Enthusiasmus allzu groß wird, dann weist sie ihre Schützlinge aber dezent darauf hin, dass ihr Plan vielleicht nicht aufgehen könnte, damit sie hinterher nicht zu enttäuscht sind. So war einmal die Idee, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nach Waltrop zu lotsen. Sie stoppte ihre Schützlinge nicht, gab aber zu bedenken, dass das angesichts der vielen Termine, die die Inhaberin des zweithöchsten Staatsamtes so hat, nicht ganz einfach werden dürfte…
Was Britt Wagner und mit ihr dem ganzen Gremium immer wichtig war: die parteipolitische Unabhängigkeit. Einmal war jemand in die Jusos, die Nachwuchsorganisation der SPD, eingetreten, und wollte zugleich ein Vorstandsamt beim KiJuPa bekleiden. Das geht nicht, und da gibt‘s auch keine Ausnahmen.

Nur wenn‘s auch Spaß macht, kommen die Kinder
Britt Wagner weiß: Kaum jemand würde sich lange ans KiJuPa binden, wenn das Zusammensein dort nicht auch und vor allem Spaß machen würde. Viel läuft darüber, dass jemand den Kumpel oder die beste Freundin mitbringt, man verbringt dort zusammen eine gute Zeit und die politische Sozialisation ergibt sich mit der Zeit quasi nebenbei und Schritt für Schritt. Die Kleinen starten mit Aktionen, bei denen es darum geht, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, bei den Älteren geht es dann mehr in Richtung Politik im engeren Sinn.
Der „pflegeleichte“ Junge, den Britt Wagner vor Jahren in der Ferienfreizeit betreut hat, ist heute wie erwähnt Bürgermeister. Er selbst war natürlich auch mal im KiJuPa, und er gehört auch zum imaginären „Britt-Wagner-Fanclub“. Für das Buch zum 20-jährigen Bestehen des KiJuPa gefragt, woran er beim Stichwort „KiJuPa“ denke, antwortet er unter anderem: „Ich denke […] auch an eine grandiose KiJuPa-Koordinatorin, die ihren Beruf mit Spaß und Respekt ausübt und ohne die das KiJuPa Waltrop nicht das wäre, welches es heute ist.“