Klima-Anpassung Recklinghausen braucht mehr Grün und weniger Beton

Die Maybacher Heide: Mit dem Bau der Wohnsiedlung auf der Fläche einer alten Kaserne wurde vor allem durch die vielen Gärten auch neuer Raum für Grün geschaffen. © Jörg Gutzeit
Lesezeit

Knapp 20 der 66 Quadratkilometer Recklinghausens sind mit Häusern und Straßen zugepflastert, wie die Stadtverwaltung berechnet hat. Ein Wert, der von 2016 bis 2020 – trotz neuer Baugebiete – nicht gestiegen ist. Denn es wird gleichzeitig auch Land entsiegelt. Zudem versucht die Stadt, immer mehr Regen im Boden versickern zu lassen und so aus der Kanalisation herauszuhalten.

Es wird künftig mehr Starkregen geben als bisher, aber auch mehr Hitzewellen. Davon ist Norbert Höving, technischer Beigeordneter der Stadt, überzeugt. Und gegen beide Klima-Probleme hilft mehr Grün; nicht als Allheilmittel, aber „um die Folgen abzumildern“, sagt Höving. Denn auf einem voll asphaltierten Parkplatz etwa versickert kein Regentropfen im Boden. Das Wasser läuft zu 100 Prozent in die Gullys der Kanalisation. Und in denen wird es immer häufiger eng, wenn heftige Wolkenbrüche zunehmen. Die Folge: Eine meist übel riechende Brühe drückt in die Keller von Häusern, und die Feuerwehr muss beim Trockenlegen helfen. Und immerhin ist mehr als jeder vierte Quadratmeter im Stadtgebiet von Asphalt und Beton bedeckt…

48 Liter Regen: Das ist gerade noch zu verkraften

Bisher verkraftet Recklinghausens Kanalnetz maximale Regengüsse, wie sie alle drei Jahre auftreten, also kein Jahrhundert-Hochwasser. 48 Liter Regen auf den Quadratmeter in 90 Minuten – das ist gerade noch zu stemmen. Nur die Innenstadt ist laut Franz-Josef Knoblauch, Chef der Stadtentwässerung, besser geschützt: Sie verkrafte einen Wolkenbruch, wie er alle zehn Jahre auftritt: 66 Liter in 90 Minuten.

Aber Knoblauch räumt ein, dass seine Regenwerte aus der Vergangenheit stammen. Ein Starkregen, wie er alle zehn Jahre auftrat, kann wegen des Klimawandels in der Zukunft deutlich häufiger fallen.

Noch ist es hier am Ortsrand von Hochlar überwiegend grün: Nach dem Willen von CDU und Grünen soll hier aber bald neuer Wohnungsbau und damit eine Flächenversiegelung möglich werden. © Jörg Gutzeit © Jörg Gutzeit

Umso wichtiger wird die Entsiegelung von bereits zugepflastertem Boden, sagt der Beigeordnete Höving. Er verweist darauf, dass die Stadt zum Beispiel im Neubaugebiet Paulusanger nur 70 Prozent der Fläche mit Wohnungen bebauen lässt. 30 Prozent werden grün, und das auf einer Fläche, die vor dem Abriss der Kollegschulen zu nahezu 100 Prozent versiegelt war. Höving nennt ein weiteres Beispiel für Wohnungsbau, der mehr Grün gebracht habe: die Maybacher Heide. Dort, an den mehr als zwei Hektar großen ehemaligen Preston Barracks, hätten zuvor die Panzerhallen und -straßen der britischen Rheinarmee für eine fast 100-Prozent-Versiegelung gesorgt, die nun deutlich reduziert sei. Und auch privaten Bauherren mutet die Stadt in diesem Zusammenhang einiges zu: „Man darf aktuell nur 40 Prozent der Fläche seines Baugrundstücks versiegeln“, sagt Höving.

Wie schnell Erfolge beim Begrünen der Stadt aber auch zunichte gemacht werden können, zeigt der aktuelle Ausbau der A 43 von vier auf sechs Fahrspuren. Mit jedem Meter der breiteren Autobahn wurden und werden zehn Quadratmeter des Stadtgebiets neu asphaltiert; zusammengerechnet 700.000 Quadratmeter. „Ein erheblicher Eingriff“, räumt Franz-Josef Knoblauch ein. Aber der Autobahn-Ausbau habe auch etwas Gutes: Früher lief das mit Reifen- und Bremsenabrieb verunreinigte Regenwasser von der Autobahn direkt in die Kanalisation. Jetzt wird es gereinigt und über Regenrückhaltebecken in Breuskes Mühlenbach und weiter in den Hellbach und die Emscher geleitet. Die Renaturierung der Emscher und ihrer Nebenflüsse, die die Emschergenossenschaft, betreibt, spielt der Stadt hier zusätzlich in die Karten.

Eva Kranjc, Klimaschutz- und Umwelt-Planerin der Stadt, arbeitet zusätzlich an immer mehr Dachbegrünungen und „Entschotterungen“ von Steingärten. Die Klima-Anpassung, sagt sie, sei ein Puzzle mit vielen kleinen Teilen, die erst zusammen „eine große Wirkung erzielen“.

Mehr Jobs

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen