1923-1925 Ruhrbesetzung: Das Petrinum als Festung

Insgesamt viermal verboten die französischen Besatzer im Jahre 1923 die Recklinghäuser Zeitung. © Alexander Spieß
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Gleich nach dem Einmarsch der Franzosen am frühen Morgen des 15. Januar 1923 wurde das Altstadt-Gymnasium zum Sitz des Divisionsstabes auserkoren. Mit 100 Offizieren, 2000 Soldaten und 400 Pferden seien die Franzosen nach Recklinghausen gekommen, um auch hier, wie im ganzen Ruhrgebiet, Kohlelieferungen zu erzwingen. Wo gerade noch Petrinum-Direktor Dr. Paul Verres saß, nahmen nun französische Generäle Platz. „Das Vorzimmer wurde Adjutantenzimmer, und in die Hausmeisterloge zogen Ordonnanzen ein“, schreibt Georg Möllers vom Verein für Orts- und Heimatkunde. Auch er hat sich mit den Jahren der französischen Okkupation Recklinghausens im Zuge der Besetzung des Ruhrgebietes auseinandergesetzt. So wie es derzeit der französische Historiker Dr. Benjamin Volff im Stadtarchiv tut. Mit Stacheldraht, Barrieren und Wachhäuschen bauten die Besatzer die Schule zur Festung aus. Die Schüler mussten derweil auf das Gebäude des heutigen Hittorf-Gymnasiums (damals Oberrealschule) ausweichen und sich mit den dortigen Schülern die Räume teilen. Anderswo wurde in Schichten unterrichtet, da auch viele andere Schulgebäude beschlagnahmt waren, berichtet Möllers.

Jeanne d‘Arc in der Gymnasialkirche

Auch die Gymnasialkirche nahmen die Franzosen in Besitz. Für Empörung unter den Recklinghäusern habe gesorgt, dass der französische Geistliche die Kirche mit der Tricolore ausschmückte und am Franziskusaltar eine Statue der französischen Nationalheiligen Jeanne d‘Arc aufstellte. Die Schulmessen mussten fortan in die Pauluskirche verlegt werden. Immerhin beglich der französische Militärpfarrer nach Möllers Informationen die Kosten für Weihrauch, Kerzen, Kohle und Wein. Dabei bekam auch er die grausame Dynamik der voranschreitenden Inflation zu spüren. Habe er für die Karwoche am 15. April 1923 noch 40.850 Mark zahlen müssen, seien es im Juli desselben Jahres schon 86.850 Mark gewesen und im Oktober mehr als 202 Millionen Mark.

Anderswo griffen die Besatzer härter durch. Die Recklinghäuser Zeitung wurde gleich viermal für mehrere Tage bis Wochen verboten.

Am 18. Juli 1925 verließen die französischen Truppen Recklinghausen in Richtung Herten. Bei ihrer Rückkehr ins Gebäude machten die Petriner eine unschöne Entdeckung. Gleich mehrfach waren Franzosen in die Lehrerbibliothek eingedrungen. Auch vom Quartier der Funker auf dem Dachboden aus. Die Einbrecher hatten sich durch die Decke gearbeitet. Es fehlte vor allem französische Literatur, berichtet Georg Möllers. Nachtragend waren die Petriner nicht. Schon 1928 erhoben sie Französisch zum Pflichtfach.

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